Heft 
(1967) 4
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dürfte ein allgem. gültiger Geschmack dafür gefunden werden. Auch kann man aus denselben Blumen die verschiedensten Sträusse binden u. alle werdenrichtig sein, wenn sie harmonisch und geschmackvoll zusam­mengestellt sind. So habe ich die Ueberzeugung, daß Ihr neues, liebes Fontane-Brevier sich Verehrer finden u. in manchem Fontane-Neuling den Wunsch erwecken wird, nun auch die Schriften zu lesen, aus denen ihm qjne so schöne Auslese geboten ist. Nochmals sage ich Ihnen also meinen allerherzlichsten Dank!

Unsere Correspondenz, wesentlich bedingt durch die Fontanebriefe, ist ins Stocken gerathen. Nur natürlich, weil sich wenig Neues sagen liess. Ich lege Ihnen, mit der Bitte um gelegentliche Rückgabe, den Brief Schlenthers bei, der unter einer Deck-Adresse (offenbar aus den Händen Ihrer Frau Schwester und Ihres Herrn Schwagers Fritsch:) aus Halensee zu mir gelangt ist und die Stimmung u Stellung derCommission, sowie der Erben ausdrückt, bezw. für dieselben massgebend ist. Danach ist man gegen die Herausgabe meiner Briefe als Einzelfrucht und will trauben­förmig die Freundesbriefe zusammenfassen. Ich halte das für falsch, weil unausreichend u. einseitig. In dieser Auffassung werde ich wesentlich durch die Meinung recht massgebender Männer unterstützt, mit denen ich darüber correspondirt und gesprochen habe. Namen u. Briefe stehen Ihnen auf Wunsch vertraulich zu Gebote! Man ist mit mir der Ansicht, daß die Auswahl durch Schlenther u. s. Amanuensis Pniower 28 gewiss sehr geschickt, aber doch wesentlich nach dem Gesichtspunkt der moder­nen Richtung getroffen werden wird, einer Litteraturströmung, welcher der Briefschreiber doch nur partiell angehörte. Man findet, daß einseitig ausgewählt wird, wo doch gerade die Vielseitigkeit Ihres Vaters zum Aus­druck gelangen soll und ist mit mir der Ansicht, daß sich (!) die verschie­denen Kreise, denen Ihr Vater angehörte, als concentrische Kreise um den einen Mittelpunkt erscheinen werden, während es thatsächlich sehr verschiedenartige waren. Ich weiss nicht, ob ich mich da hinreichend klar ausdrücke. Bleiben wir lieber bei dem obigem Bilde der Einzelfrucht u. der Traube! Es handelt sich m. Erachtens nicht um die Auswahl süsser Beeren derselben Traube, sondern um ganz verschiedene Früchte. Und es ist dabei fraglich, ob dabei die Früchte, nicht bloss die einzelnen Beeren richtig u. vielseitig genug ausgewählt werden. Auf die Menge kommt's dabei gewiss nicht an. Zweifellos kann man's ja Niemandem da ganz Recht machen. Die Familienbriefe haben colossalen Beifall gefunden, Aufsehen gemacht u. hoffentlich auch buchhändlerisch vorzüglichen Erfolg gehabt und dennoch hat auch hier die Auswahl Widerspruch erfahren. Schon in Nervi (im vorigen März u. April) hörte ich von tüchtigen sach­kundigen Männern manchmal Verwunderung aeussern, warum gerade dies u. jenes aufgenommen sei und brieflich von einem im litterarischen Leben Berlins wurzelnden Fachmann, der Ihrem Vater durchaus nahe

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