Christa Schultze
Theodor Fontane und K. A. Varnhagen von Ense im Jahre 1848
(mit einem Brief Varnhagens an Fontane vom 11. Februar 1852)
1
Als Fontane in dem bewegten und aufrüttelnden Jahr 1848 seinen „kleinen Rückfall in das schon überwunden geglaubte .Freiheitliche 1 “ 1 erlebte, ließen die Konsequenzen dieses „Rückfalls“ in seine Leipziger freiheitsdurstigen Tage, nämlich die Veröffentlichung radikaler politischer Artikel, auch Varnhagen von Ense auf den jungen Dichter aufmerksam werden. Fontane war damals bekanntlich — ganz im Gegensatz zur Darstellung in seinen späteren Erinnerungen — ein glühender Anhänger der Republik und ein kampfesfreudiger Tribun ihrer Verwirklichung. Der junge Fontane zeigte im Jahre 1848 „in reichem Maße jene leidenschaftliche Anteilnahme, jene temperamentvolle Frische und Unmittelbarkeit, die man bisweilen bei dem alten vermißt hat.“ 2 Seine Bitte an den königstreuen Freund Bernhard von Lepel, ihm einen „Muskedonner“ zu schicken — denn, so schrieb er am 21. September 1848, „der Wrangelsche Armeebefehl und das Ministerium ,Pfuel, Eichmann, Bonin' erklären geradezu die Konterrevolution und fordern zum Kampf heraus“ 3 —, wünschte er zwar später als spaßhaft und als „provozierende Tollheit“ 11 dem Leutnant a. D. gegenüber aufgefaßt zu sehen, doch kann es keinem Zweifel unterliegen, daß seine in diesem Brief ausgesprochene Tatenfreudigkeit ernst gemeint war. 5 Er machte die Worte wahr, die das „Fieber“ des Revolutionsjahres ihm eingab: „... der Augenblick erheischt Taten, oder doch Wort und Tat. Schande Jedem, der zwei Fäuste hat mit Hand ans Werk zu legen, und sie pomadig in die Hosentasche steckt. Hätt ich Zeit und namentlich Geld, ich wäre ein Wühler comme il faut, denn alles ist faul und muß unterwühlt werden, um im ersten Augenblick die Mine springen lassen zu können. Ich bedaure, zu so winziger Tätigkeit verdammt zu sein, aber was ich leisten kann, das will ich doch auch leisten..
Hatte Fontane bald nach den Märzereignissen in Berlin seine „erite glänzende Rede“ als Wahlmannskandidat noch mit dem Ruf „Liebe zum Volk, aber auch Liebe zum König“ geschlossen, so machten ihn die „Reaktions- bestr|hungen der Hofpartei“ und das daraus entstandene Pfuelsche Ministerium der bewaffneten Reaktion zum Republikaner. Monatelang hatte er, wie er selbst sagt, an Lepels gemäßigt-konstitutionellem Standpunkt festgehalten und war „gradatim“ — stufenweise — bis zur Republik gekommen. 7 Die ersten Anzeichen für einen eigenen Standpunkt, zu dem
139