Heft 
(1967) 4
Seite
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Christa Schultze

Theodor Fontane und K. A. Varnhagen von Ense im Jahre 1848

(mit einem Brief Varnhagens an Fontane vom 11. Februar 1852)

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Als Fontane in dem bewegten und aufrüttelnden Jahr 1848 seinenklei­nen Rückfall in das schon überwunden geglaubte .Freiheitliche 1 1 erlebte, ließen die Konsequenzen diesesRückfalls in seine Leipziger freiheits­durstigen Tage, nämlich die Veröffentlichung radikaler politischer Artikel, auch Varnhagen von Ense auf den jungen Dichter aufmerksam werden. Fontane war damals bekanntlich ganz im Gegensatz zur Darstellung in seinen späteren Erinnerungen ein glühender Anhänger der Republik und ein kampfesfreudiger Tribun ihrer Verwirklichung. Der junge Fon­tane zeigte im Jahre 1848in reichem Maße jene leidenschaftliche Anteil­nahme, jene temperamentvolle Frische und Unmittelbarkeit, die man bis­weilen bei dem alten vermißt hat. 2 Seine Bitte an den königstreuen Freund Bernhard von Lepel, ihm einenMuskedonner zu schicken denn, so schrieb er am 21. September 1848,der Wrangelsche Armee­befehl und das Ministerium ,Pfuel, Eichmann, Bonin' erklären geradezu die Konterrevolution und fordern zum Kampf heraus 3, wünschte er zwar später als spaßhaft und alsprovozierende Tollheit 11 dem Leutnant a. D. gegenüber aufgefaßt zu sehen, doch kann es keinem Zweifel unter­liegen, daß seine in diesem Brief ausgesprochene Tatenfreudigkeit ernst gemeint war. 5 Er machte die Worte wahr, die dasFieber des Revolu­tionsjahres ihm eingab:... der Augenblick erheischt Taten, oder doch Wort und Tat. Schande Jedem, der zwei Fäuste hat mit Hand ans Werk zu legen, und sie pomadig in die Hosentasche steckt. Hätt ich Zeit und namentlich Geld, ich wäre ein Wühler comme il faut, denn alles ist faul und muß unterwühlt werden, um im ersten Augenblick die Mine springen lassen zu können. Ich bedaure, zu so winziger Tätigkeit verdammt zu sein, aber was ich leisten kann, das will ich doch auch leisten..

Hatte Fontane bald nach den Märzereignissen in Berlin seineerite glän­zende Rede als Wahlmannskandidat noch mit dem RufLiebe zum Volk, aber auch Liebe zum König geschlossen, so machten ihn dieReaktions- bestr|hungen der Hofpartei und das daraus entstandene Pfuelsche Mini­sterium der bewaffneten Reaktion zum Republikaner. Monatelang hatte er, wie er selbst sagt, an Lepels gemäßigt-konstitutionellem Standpunkt festgehalten und wargradatim stufenweise bis zur Republik ge­kommen. 7 Die ersten Anzeichen für einen eigenen Standpunkt, zu dem

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