Heft 
(1967) 4
Seite
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Fontane sich in dem oben zitierten Brief vom 21. September so leiden­schaftlich bekennt, beginnen Anfang Juli 1848. Von diesem Zeitpunkt datiert auch vermutlich seinEintritt in den Kreis der Rebellen, den Lepel ihm im September vorwirft, sein Umgang unter Aufgabe alter Freunde mit solchen,die die aufrührerische Überzeugung immer mehr bei ihm nähren. 8

In den wenigen Zeilen, mit denen Fontane später bekennt, daß es ihm in jungen Jahren zubestimmt war, unausgesetzt Revolutionären und ähn­lichen Leuten in die Arme zu laufen, ist zum Schluß der Aufzählung dieser Revolutionäre die Rede vonBakunin und noch anderen. 1 ' Michael Bakunin, dieser wirklicheWühler comme il faut, befand sich von Juli bis Ende September 1848 in Berlin, also in der Zeit, da Fontane seine Ent­wicklung zumroten Republikaner durchmachte. Bakunin war eng be­freundet mit Gustav Julius, dem Herausgeber und Redakteur derBer­liner Zeitungshalle; beide wurden seit Anfang Oktober 1848 steckbrief­lich verfolgt. 10 Die seit 1846 bestehendeZeitungshalle wurde zum offi­ziellen Organ desZentralausschusses der deutschen Demokraten, zu dessen Vorstand Fontanes Freund aus Leipziger Tagen, Hermann Kriege, gehörte. Gustav Julius hatte sich seine journalistischen Sporen 1842 als Redakteur der LeipzigerAllgemeinen Zeitung (sie wurde Ende 1842 verboten) in eben der Stadt verdient, in der Fontane damalsliterarische Beziehungen suchte und imLiteratenverein auch fand. Das von Julius gegründete, mit derZeitungshalle eng verbundene Leseinstitut, 11 ein Sammelpunkt aller Unzufriedenen und in den Märztagen dasGeneral­stabsquartier der Revolution, 12 hatte letztlich das LeipzigerLese­museum zum Vorbild. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß Julius zu den anderen Revolutionären gehörte, denen Fontanein jungen Jahren in die Arme gelaufen ist, deren Namen er dem neugierigen Leser aber verschweigt. Fontanes Radikalismus der zweiten Hälfte des Jahres 1848 und seine Mitarbeit an derZeitungshalle von Ende August bis Anfang November sind unter dem Gesichtswinkel einer Beeinflussung durch so linksgerichtete Männer wie Gustav Julius, Hermann Kriege und Michael Bakunin verständlich, 13 zumal das unverkennbare Aufleben der Reaktion bei allen Enttäuschten Erbitterung und Zorn wecken mußte. Seinen neu­gewonnenen Standpunkt verteidigte Fontane am 12. Oktober 1848 gegen Lepel:Es liegt mir an der Freiheit, nicht an ihrer Form im Staate! Ich will keine Republik, um sagen zu können, ich lebe in solcher. Ich will ein freies Volk... ich hasse nicht die Könige, sondern den Druck, den sie mit sich führen. Man spielt kein ehrliches Spiel, und darum will ich die Repu­blik. Es gibt keine deutsche Einheit bei 37 Fürsten, und deshalb will ich sie noch einmal. Von dieser letztem Wahrheit" bin ich so tief durchdrun­gen, und das Aufgehn aller Sonderinteressen, jeder kleinen Eitelkeit und aller Vorurteile zur Ehre und zum Ruhme des großen deutschen Vater-

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