Erkenntnis vermitteln. Hier nun begegnen sich die beiden in Charakter und Lebensgang so grundverschiedenen Männer. Auch Fontane ist ja — ungeachtet aller politischen Schwankungen — seiner Forderung nach Freiheit des Volkes bis ins hohe Alter, das ihn „immer demokratischer“ sah, treu geblieben. „Wenn er“, so schrieb H. Michel bereits 1915, „in ,Von Zwanzig bis Dreißig“ die Volkssouveränität als unabweisliche Forderung hingestellt hat, so knüpft er damit, ohne sich dessen bewußt zu sein, nur an das an, was ihm seit dem 18. März als ein mit allen Mitteln erstrebenswertes und bei genügender Tatkraft auch erreichbares Ideal vorgeschwebt hat: die deutsche Republik“. 33
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Mit dem oben Dargelegten ist keine allseitige Behandlung von Fontanes politischen Ansichten und Wandlungen beabsichtigt, sondern nur versucht worden, am Beispiel Varnhagens von Ense die Kraft und die Eindringlichkeit seines aus Überzeugung geborenen journalistischen Wirkens 1848 in der „Berliner Zeitungshalle“ aufzuzeigen. Die Umstände, die Varn- hagen und Fontane dreieinhalb Jahre später persönlich näherbrachten und die zu einem kurzen Briefwechsel führten, waren denn auch bei weitem nicht so tiefgreifend wie jene, die sich ohne jede persönliche Beziehung zueinander ergeben hatten. Derartiges war dem Jahre 1848 Vorbehalten. Der nachfolgend zum ersten Mal abgedruckte Brief Varnhagens an Fontane vom 11. Februar 1852, der zur Unterstützung des Schriftstellers Alexander Jung abgefaßt wurde, ist der einzige erhalten gebliebene, 34 den er an den Dichter schrieb. 35 Wenn er auch in keinem direkten Bezug zu den Ereignissen des Jahres 1848 steht, so wurde er doch unmittelbar danach in den dunklen Jahren der Reaktion geschrieben, als — so heißt es in einem Brief Varnhagens an K. Rosenkranz — „innere Zerrüttung und kriegerische Spannung“ für die Literatur „zur Stickluft“ und darum „die Verhältnisse des Buchhandels überaus traurig“ wurden. Varnliagen beklagte dies „insbesondere für den wackern Dr. Alexander Jung“, den er „so gern aus dem dürren Sand, in dem er sich verquälen muß, auf fruchtbaren Boden versetzt sähe!“ 30 Jung hatte 1837 mit „Briefen über die neueste Literatur“ debütiert, in denen er u. a. auch über Bettina von Arnim schrieb, vor allem aber Karl Gutzkow gegen Wolfgang Menzels Angriffe und Denunziationen in Schutz nahm und sich damit den Dichtern des „Jungen Deutschland“ anschloß. Zu diesem Lager gehörend, hatte er ausgangs der dreißiger Jahre durch Karl Rosenkranz die Bekanntschaft Varnhagens, des „Vertrauensmannes der jungdeutschen Schriftsteller“, 37 gemacht, von dem er später sagte, daß er „dem trefflichen Manne im Leben Außerordentliches zu verdanken habe“. 38 Jungs Teilnahme an der liberalen Bewegung in Königsberg fand besonders in der Herausgabe des „Königsberger Literaturblattes“ (1841—1845) ihren Ausdruck, eines Blat-
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