tes, das als erstes „in der bis dahin servilen deutschen Presse ... offen und mutig für die liberalen Indeen“ eintrat, 39 was vorübergehend sein Verbot zur Folge hatte. Rudolf Gottschall begegnete dem Verfasser sozialkritischer Schriften 40 im Siegelschen Kaffeehaus, dem Versammlungsort der fortschrittlichen politischen und literarischen Größen Königsbergs, und schilderte ihn als einen hochgewachsenen Idealisten, „der etwas Weltfremdes in seinem ganzen Wesen hatte und die Dinge dieser Welt aus einem Gesichtswinkel ansah, der an die Anschauungsweise des Spinoza sub specie aetemi erinnerte.“ 41 Wegen seines öffentlichen Auftretens gegen die Ausweisung der badischen Abgeordneten Itzstein und Hecker aus Berlin im „Böttchershöfchen“, wo sich nach dem Verbot der „Königsberger Bürgergesellschaft“ jene Volksversammlungen bildeten, „die in ganz Deutschland das größte Aufsehen erregten und die Augen der ganzen politisch erwachenden Nation auf das ferne, bisher wenig beachtete Königsberg lenkten“, 42 gehörte Jung neben Johann Jacoby, Ferdinand Falkson, Gregorovius und anderen zu den 29 Königsbergern, die am 17. Juli 1845 sich vor dem Polizeipräsidenten Abegg zu verantworten hatten. Als jedoch die freieren religiösen und sozialen Regungen in Königsberg von der Polizei unterdrückt wurden, wandte Jung sich in seiner Arbeit rein literarischen Themen zu und fand z. B. in Hölderlins Werken 43 „ein ablenkendes seelenverwandtes Thema“, 44 doch war ihm mit seinen Schriften kaum Erfolg beschieden. Der nachstehend zum erstenmal abgedruckte Brief kann als Symptom für die bittere Lage der einst von Freiheitshoffnungen erfüllten Schriftsteller in der Nachmärz- Reaktion gelten, — einer Bitternis, die ja auch Fontane als Jungverheirateter bis zur Neige durchkosten mußte. Unmittelbar nach seiner Abreise nach England schrieb Frau Emilie ihm am 7. April 1852, also zwei Monate nach Empfang des unten stehenden Briefes von Varnhagen: „Dann ist noch ein Brief vom Dr. Jung aus Königsberg an Dich gelangt, nebst Einlage an Dunker und Varnhagen; ein so liebenswürdiger, aber auch so trostloser Brief an Dich, daß ich weinen mußte; er dankt für Deine Bemühungen und bittet Dich flehentlich, damit fortzufahren; mit Tag und Nacht steigender Unruhe erwartet er das Honorar, seine Frau ist krank, Unglücksfälle aller Art überschütteten ihn und er schließt damit: es sei etwas Unglückseliges, ein deutscher Schriftsteller zu sein. Wie groß muß das Elend dieses Mannes sein, daß er so einem Fremden schreibt! Ach, Theo, erst beim Unglück Anderer sehe ich immer dankend gen Himmel!“ 45 Nach Erhalt ihrer „lieben, traurigen Zeilen“ vom 10. April tröstete Fontane seine Frau im Brief aus Brüssel vom 17. April 1852: „Laß uns nicht klagen! Denke an den armen Alexander Jung, von dem Du mir in Deinem ersten Brief... schriebst... ach, wir müssen alle harte Nüsse knacken, der eine heut, der andre morgen, das ist der große Unterschied.“ 46
Heft
(1967) 4
Seite
146
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten