Heft 
(1967) 4
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Hier nun der Brief Karl August Varnhagens von Ense an Theodor Fon­tane aus Berlin vom 11. Februar 1852:

Hochgeehrtester Herr Doktor!

Sie haben mir gütigst einen Wunsch des Herrn Dr. Wolfsohn eröffnet,a) den ich zu erfüllen sogleich herzlich gern bereit war, aber dabei in Zweifel stand, in welcher Weise dieses am schicklichsten geschehen könnte. Das Manuskript des Werkes, das ich empfehlen soll, b > ist mir ganz unbekannt, und ich würde von demselben, wenn es auch zur Hand wäre, kaum nähere Kenntnis nehmen können, da meinen leidenden Augen das Lesen von Manuskripten überaus beschwerlich wird. Über Nacht fiel mir ein, daß der abgerissene Schluß eines Briefes die bequeme Form böte, mit guter Art alles das harmlos auszusprechen, was dem nächsten Zwecke förder­lich sein könnte: und was zu sagen ich unter den waltenden Umständen auch in Wahrheit verantworten kann. Ein solches Blatt bin ich so frei Ihnen in der Anlage ergebenst zu überreichen, mit der gehorsamsten Bitte, solches, im Fall es Ihre Billigung hat, mit meinen besten Grüßen dem Herrn Wolfsohn zu senden,<0 der dann sein Heil damit versuchen möge! Die traurige Lage des Herrn Dr. Jung in Königsberg <b beküm­mert mich sehr, und schon seit Jahren sinne ich mit andern Freunden des­selben vergebens, auf welche Art ihr abzuhelfen, sie wenigstens zu erleichtern sein möchte ; e ) die örtlichen und persönlichen Verhältnisse, die Zeitläufte, ja sein Talent selbst, alles ist für ihn ungünstig gestellt, und sein ernstes würdiges Streben, sein edler tapfrer Eifer, mühet sich ertrag­los ab.*) Ich würde mich glücklich schätzen, wenn meine armen Worte dem Buche, auf welches er seine fast letzte Hoffnung gesetzt, irgendwie zur baldigen Erscheinung verhelfen könnten.g) Ihnen und Herrn Wolf­sohn würde ich dann daür dankbar verpflichtet sein, mir die Gelegenheit dazu dargeboten zu haben!

Mit ausgezeichneter Hochachtung habe ich die Ehre zu verharren

Euer Wohlgeboren ganz ergebener Varnhagen von Ense

Berlin, den 11. Febr. 1852 Kommentar zum Brief

a ) Fontane war in der ersten Februarwoche des Jahres 1852 in Dessau Gast seines Jugendfreundes Wilhelm Wolfsohn gewesen, der ihn 1842 in Leipzig in die Anfangsgründe der russischen Literatur eingeweiht hatte (vgl. Chr. Schultze, Theodor Fontane und die russische Literatur. In: Fontane-Blätter, Heft 2, 1965, S. 40-55). Bei Gelegenheit dieses

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