lesung der Fontane-Bibliographie den Eindruck gewonnen habe, daß diese Aufstellung nicht nur mit großen Opfern an Fleiß entstanden sein kann, sondern vor allen Dingen von Ihrer tiefen Verehrung für unseren Großvater spricht..."
Großvater Fontane war es auch, der zwei Tage vor seinem Tode, am 18. September 1898 (und nicht am 20. September, wie es in der Ausgabe der Familien-Briefe steht: Frau Gertrud Schacht besitzt den Originalbrief), an seine Frau über Gertrud Mengel, unsere liebe Frau Schacht, schrieb: „Sie ist eine der entzückendsten Erscheinungen, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe . .. alles Natur, Menschenblüte. Und dabei nicht 'mal der Evazug, sondern etwas Himmlisches. Klingt alles lächerlich, ist aber die reine Wahrheit.“
Onkel Theodor fand den Backfisch so nett, erzählte mir Frau Gertrud Schacht. In voller geistiger Frische berichtete mir die mütterliche Freundin aus ihrem reichen Erinnerungsschatz, den sie teilweise in „Meine Erinnerungen an Theodor Fontane“ 1951 im „Jahrbuch für brandenbur- gische Landesgeschichte“ veröffentlicht hat. Sechs Stunden verbrachten wir in einem äußerst angeregten und geistvollen Dialog, der für den Hüter des Dichternachlasses zu einem einmaligen Erlebnis wurde. Aufzeichnungen konnten für das Fontane-Archiv gemacht werden. So erfuhr ich, daß in den Familien Fontane und Witte bei großem Taktgefühl ein kritischer und offener Ton herrschte. Frau Gertrud Schacht schilderte mit großer Wärme den humanen und ritterlichen Charakter des Dichters, dem Tränen kamen, wenn er etwas Schönes sah.
Frau Emilie, die an einem Leberleiden litt, war oft gallig und sagte: „Ach, Theo, mir ist heute so ärgerlich!“ Beruhigend antwortete dann der alte Herr: „Milachen, das vergeht!“ Eine Lebensweisheit für uns alle! Als die Kinder einmal schlechte Zensuren aus der Schule mitbrachten, und die Mutter sie mit Recht etwas streng ermahnte, sagte Theodor in Erinnerung an die eigene Schulzeit zu seiner Frau unter vier Augen: „Milachen, bist Du wirklich böse, oder tust Du nur so?“ Er konnte es einfach nicht begreifen, daß man sich darüber aufregte.
Im Hause Fontane war oft Schmalhans Küchenmeister und Martha, die Tochter, erzählte ihrem Patenkind Gertrud: „Manchmal saßen wir auf einer Truhe und wußten nicht, was wir kochen sollen!“ Frau Schacht sagte mir: „Der alte Menzel wurde von Wilhelm II. gefeiert, Fontane nicht!“ Erst als der Roman „Effi Briest“ 1894 herauskam, ging es Fontane finanziell gut. Als Emilie nach dem Tode des Dichters aus der Potsdamer Straße in die Elsholzstraße zog, und das Honorar für den letzten Roman „Stechlin“ gezahlt wurde, sagte sie: „Daß ich so gut wohnen kann, das und noch vieles mehr, verdanke ich meinem guten Alten!“ Martha Fontane, die Tochter, meinte zu Gertrud Schacht nach dem Tode der Mutter:
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