Heft 
(1970) 10
Seite
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armer, titelloser Schriftsteller, den einige kennen und viele nicht kennen. Da ist von Repräsentation keine Rede. Präsident Grimm ist aber einer der ersten Justizbeamten des Staates, er sitzt im Herrenhause, und wenn er in England lebte, würde er ein hochangesehner Peer, einer von den Law-Lords 1,, ein Mann wie Lord Brougham 1 1 oder Lord Cairns 11 ' sein. Und nun diese Erschei­nung, dieses Paar, diese Bambuschen. Ich schreibe dies nicht aus Spottlust. Ganz und gar nicht. Ich liebe und verehre beide Leute, und mein Groll denn der Spott vergeht einem geht nach ganz andrer Seite. Um 3 war ich bei Herrn Hertz zu Tisch. Wilbrandt 17 war geladen. Als ich eintrat, richtete ich an diesen die Frage:nun, Frau Clara 18 noch nicht da?" Eine verlegne Heiterkeit bemächtigte sich aller Anwesenden Frau Clara war gar nicht geladen. Das Diner verlief ganz gut. Am Abend zu Grimms (die Morgenbe­gegnung hatte ihre Frucht getragen), wo auch Zöllners auftauchten. Wir plau­derten angenehm, ich las ein paar Sentenzen aus Deinem Briefe, aber nur ein paar. Man kann in dieser Beziehung nie zu wenig tun. Übrigens amüsierte sie die schon oben hervorgehobene Stelle (Frauen-Stimmrecht).

Donnerstag. 5. Mai. Dies war nun der große Diner-Tag. Geladen waren: Frau Clara, Tante Merckel 1 ' 1 , Zöllners, Lepel, Wilbrandt, Bormann, dazu ich, zusam­men 8 Personen. Es war großartig, Luise auf der Höhe ihres Ruhms; der bittre Spargel war der einzige Fleck in der Sonne, aber das war nicht ihre Schuld. Das Menu war das folgende: 1. Brühsuppe mit verlornen Eiern.

2. Frikassee von Huhn, mit Krebsen und allen möglichen Finessen. 3. Morcheln, Spargel, Karotten (zusammen), dazu Hammelcotelettes. 4. Plumpudding, bren­nend hereingetragen. 5. Kalbsbraten und Kompotts. 6. Schillingsche Reistorte. 7. Kaffee. Dazu roten und weißen Wein, Chateau d'Yquem und Rüster Aus­bruch. Die Reistorte war ein Geschenk von Zöllners, der Chateau d'Yquem (zwei Flaschen) von Bormann, der Rüster Ausbruch von Sommerfeldt. Alles sehr schön. Den Blumen-Aufsatz hatte ich selbst besorgt. Man war sehr befrie­digt, namentlich die beiden Hauptgäste: Frau Clara und Wilbrandt. Ich merkte es ihnen an, daß ihnen das Ganze Wohltat. Die Zwanglosigkeit, in der ich noch mehr exzelliere als Du (ein Mann darf es auch eher), ist doch immer das Beste, was man seinen Gästen vorsetzen kann. Wir hatten 5 Toaste. 1. Ich. Kurze Begrüßung.Die alten Zeiten und die alte Schweiz". 2. Ich. Nach­dem ich die Gesellschaft als eine Drei-Kronen-Gesellschaft (jede Frau eine Krone) geschildert hatte, schloß ich:

Die oberste Krone dieser Tiara,

Sie lebe hoch, es lebe Frau Clara.

3. Zöllner. Er ließ Wilbrandten in niedlichen plattdeutschen Versen leben.

4. Lepel. DieEntfernten":

Er lebe, der über Klippen springt,

Über drohende, wie die Gemse,

Und es lebe sein alter Widerpart,

Frau Toutlemonde an der Themse.

5. Wilbrandt. Er ließ mich leben, als glückliche Vereinigung von Wirt und Wirtin, von Hausherrn und Hausfrau, ohne doch deshalb eine Zwittergestalt zu sein, worin ich zustimmte.

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