Heft 
(1970) 10
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Der Geheime Regierungsrat Karl Hermann Freiherr von Wangenheim und seine Frau wandten sich über Zürich an den ihnen bekannten Kardinal-Erz­bischof von Besan?on, Cesaire Mathieu. Dieser konnte zwar nicht die Be­freiung, wohl aber sehr wesentliche Erleichterungen für den Gefangenen er­reichen. Nach einem Aufenthalt von knapp drei Wochen in den Kasematten von Besangon wurde Fontane die Behandlung zuteil, die nach den Kriegsgesetzen einem gefangenen höheren Offizier zukam. Auch in den folgenden Wochen der Gefangenschaft wurde er durch Vermittlung des Erzbischofs aufs freund­lichste von Geistlichen unterstützt. Die humoristisch-liebenswürdige Art, wie Fontane in ,Kriegsgefangen' von den Wochen in Besangon erzählt, darf nicht dazu führen, die Schwierigkeit seiner Lage zu verkennen. Ein Schullehrer aus den ,Vogesen hatte ein recht trauriges Bild von Fontanes Zustand nach Berlin übermittelt und hinzugefügt, daßseiner Ansicht nach Theodor Fontane es nicht mehr lange aushalten würde, Gefahr im Verzüge sei'. Am ersten Jahres­tag seiner Befreiung dankte Fontane dem Erzbischof, mit dem er noch längere Zeit in Briefwechsel stand, sehr herzlich.

Einen anderen, erfolgverheißenden Versuch zur Befreiung unternahm der jüdische Professor Moritz Lazarus, Philosoph an der Berliner Universität. Er kannte Fontane aus den literarischen Vereinen .Rütli' und .Der Tunnel über der Spree'. Sein Brief an den französischen Justizminister Cremieux, Präsident der Israelitischen Synode, wurde am 20. November aus Tours telegraphisch be­antwortet: .Ich denke, daß in diesem Augenblick Herr Fontane, Ihr Schutz­befohlener und der Ihrer Kollegen, frei ist! Ich habe keinen Augenblick ver­loren, aber er war nach der Insel Oleron verschickt worden, wodurch seine Freilassung verzögert wurde. Leider, lieber Herr, darf man nicht unserem Frankreich Menschlichkeit in diesem barbarischen Kriege, den man gegen uns führt, anempfehlen. Gott wird richten. Ihr wohlgeneigter Cremieux.

Ein dritte Gruppe wählte den Weg der administrativen Gewalt: Fontanes Freunde, Bernhard von Lepel, jetzt Landwehr-Hauptmann in Berlin, August von Heyden und Friedrich Eggers, hatten sich schon am 20. Oktober an das preußische Kriegsministerium gewandt. Neun Tage darauf sandte Bismarck, für den der Fall eine günstige Gelegenheit zu einer Machtprobe bot, eine Note an den amerikanischen Gesandten Washburne zur Weiterleitung an die fran­zösische Regierung:

.Mein Herr! Nach glaubwürdiger Mitteilung ist Dr. Fontane, ein preußischer Untertan und wohlbekannter Geschichtsschreiber, auf einer wissenschaftlichen Reise in französischen, durch deutsches Militär besetzten Distrikten verhaftet und nach Besangon abgeführt worden, wo er in Lebensgefahr zu sein scheint. Nichts kann ein derartiges Vorgehen gegen einen harmlosen Gelehrten recht- fertigen. Ich bitte Sie daher, die Güte zu haben, formell seine Freilassung von der französischen Regierung zu verlangen und ausdrücklich zu erklären, daß wir im Weigerungsfälle eine gewisse Anzahl von Personen in ähnlicher Lebensstellung in verschiedenen Städten Frankreichs verhaften und nach Deutschland schicken und ihnen dieselbe Behandlung zuteil werden lassen, die dem Dr. Fontane in Frankreich beschieden ist.'

Das ist die Sprache der Macht, die der deutsche Militarismus seit jeher geführt hat! (Tatsächlich wurden damals 3 Bürger aus Domremy als Geiseln verhaftet.)

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