Immerhin muß an Hand der Mottos zu den einzelnen Kapiteln und der Gedichtproben zugegeben werden, daß der Lyriker Fontane nicht immer jenen kritischen Abstand hat wie der Epiker, Jener findet Verse wie die über die Schlacht bei Mars la Tour oder gar das Motto zu ,Schloß Frescaty' gelungen. Dieser jedoch bemerkt auf dem Güterbahnhof von Thionville eine Holztafel mit erbaulichen Gelegenheitsversen, von einem französischen Eisenbahner .voll Unmut ausgerissen und wie einen alten Scherben aufs Dach geworfen'.
Seiner Frau bekennt Fontane in einem Brief vom 8. August 1883: ,Du beklagst Dich über meine Weitschweifigkeit... Es ist aber doch ein Unterschied, ob ich nervös und dröhnig nach einem gleichgültigen Wort suche oder ob ich weitschweifig bin, d. h. über den linken Hinterfuß eines Flohs eine Abhandlung schreibe. Das Dröhnen ist unter allen Umständen eine Torheit für den Hörer und sans phrase ein Fehler, eine Ungehörigkeit; die Weitschweifigkeit aber, die ich übe, hängt doch durchaus auch mit meinen literarischen Vorzügen zusammen. Ich behandle das Kleine mit derselben Liebe wie das Große, weil ich den Unterschied zwischen klein und groß nicht recht gelten lasse; troff’ ich aber wirklich mal auf Großes, so bin ich ganz kurz.'
Die Kunst der Kürze, des angelsächsisch unterkühlten Wortes, das man ,unter- statement' nennt, wird für den alten Fontane zum bevorzugten Stilmittel. Er sucht darin Distanz zur Torheit des .Dröhnens', zum preußischen Hurrapatriotismus, der sich seit dem Sieg über Frankreich ins Unerträgliche gesteigert hat. In einem Brief vom 24. März 1896 lehnt Fontane die Besprechung von zwei Büchern über den Krieg von 1870 71 ab: .Beide haben mich stellenweise durchaus interessiert, aber mich auch ebensooft verstimmt, der eine durch seinen hochgradigen Borussismus, der andere durch .Deutschland, Deutschland über alles' — das eine wie das andere macht mich nervös. Darüber zu schreiben war mir unmöglich.'
Das Große wird bei Fontane immer mehr in die scheinbare Nüchternheit des Sachberichtes zurückgenommen, im symbolträchtigen Detail abgebildet, oder es wird im Schweigen erspart. .Der Rest ist Schweigen', heißt es bei der Begegnung mit seinem Sohn George. Das Shakespearewort ersetzt die Schilderung der Gefühle. — Der Brand des Straßburger Münsters als Folge des preußischen Bombardements am 26. August 1870 (auf den Tag 100 Jahre zuvor war Goethe dort) ist nur im Zitat berichtet; aber das Kleine, die Begegnung mit einem großsprecherischen Amerikaner auf dem Turm, wird in detaillierter .Weitschweifigkeit' erzählt, und hier ist dann auch Humor möglich.
Darum fehlen den Darstellungen der Kämpfe, den Rekonstruktionen des Kriegsgeschehens, den Schilderungen von Tapferkeit und von Torheit alle großen Worte. Das Pathetische ist reduziert auf das Nahe und sinnlich Faßbare, auf Details und Anekdoten. Das Große wird erst in der Reflexion sichtbar, die der Autor gibt oder die im Schweigen, als dem Raum des Nachdenkens, der Leser zu vollziehen hat. Daß die Haltung des .unterstatement' keine Armut, die liebenswürdigen Weitschweifigkeiten des Plauderns keine Banalitäten sind, zeigt die Lektüre dieses Buches. In einer Reflexion nach der zufälligen Begegnung mit dem jüngeren Dumas hat Fontane das Wesen der Dichtung aus diesem Willen zur großen Kunst begriffen: ,Es frommt nicht.