OTTO W. TETZLAFF (San Angelo, Texas)
EFFI BRIESTS HOLLÄNDISCHE NACHFOLGERIN
Die Fontane-Forschung hat mit besonderem Interesse auf die geistige Verwandtschaft zwischen Effi Briest und ihren Vorgängerinnen hingewiesen. 1 Für eine Nachfolgerin der Effi hat man sich aber bis dahin kaum interessiert. 2 Nun gehört zwar Eve (1912), der letzte Roman des Holländers Maarten Maartens nicht zur Weltliteratur, doch die Abhängigkeit Evas von Effi ist überraschend groß, so daß der Leser dies auch ohne des Dichters Vorwort bemerkt. Hier erklärt nämlich Maartens unter der Überschrift ,The Gambit' seine literarische Absicht:
The central fact of this volume is ancient and eternal as the dream of Paradise. But my resolve to develop it on the lines here followed dates from the evening when I finished reading Theodor Fontane's famous novel »Effi Briest". I there and then diffidently but delibcratelv set myself to attempt the same thought, with a difference. The result is this book. :l
Das Grundthema in diesem holländischen Roman ist ebenfalls die sexuelle Versuchung und schließlich der Fehltritt, also der Ehebruch einer jungen Frau, die mit einem viel älteren Mann verheiratet ist. Doch besteht ein Unterschied zwischen beiden Frauen, der sich am besten in ihrer jeweiligen Einstellung zu dem Vergehen, dessen sie beide schuldig sind, erkennen läßt. Effi, die sich während ihrer Affaire ziemlich passiv verhält und nicht mit ganzem Herzen bei der Sache ist, wenn man so sagen will, versuchte, nachdem sie durch den Umzug nach Berlin von ihrem Liebhaber getrennt war, so schnell wie möglich zu vergessen. Im Grunde scheint sie froh, der Versuchung entronnen zu sein. Sie erzählt ihr Erlebnis nie ihrem Mann, der nur zufällig während Effis Abwesenheit die aufbewahrten Briefe Crampas' findet.
Ganz anders verhält sich dagegen die junge Holländerin: sie ist weitaus unabhängiger und auch leidenschaftlicher; sie kann die nervliche Belastung, die Anspannung, welche Ungewißheit und Schande verursacht hatten, nicht ertragen und gesteht ihr Vergehen freimütig ein, als die Stunde dafür gekommen zu sein scheint. Aber war sie es wirklich? Ist es nicht eigentlich immer zu spät, ein begangenes Vergehen zu bekennen? Eva gesteht ihren Ehebruch, aber erst zu einem Zeitpunkt, als Udo Gallas, ihr Geliebter (die Ähnlichkeit der Namen Gallas — Crampas fällt auf), tot ist. Nicht ein Duell hat sein Leben beendet, sondern seine eigene Abenteuerlust. Er war ein begeisterter Flieger, der viele Flugversuche unternahm und bei einem gewagten Soloflug tödlich abstürzte. Evas Mann, Rutger Knoppe, Bürgermeister zwei kleiner Dörfer im Overijssel-Gebiet, brachte ihr die Nachricht vom Tode Udos. Und da gesteht sie ihre verbotene Liebe, erklärt ihr Vorhaben, ins Kloster zu gehen und bekennt sich schuldig:
Yöu will let me take the child. I must have the child. That is all I ask — the one thing. I'll go out of your life; IT1 take all the blame. Oh, I'm guilty — I know I'm guilty — I'll say I'm guilty. But you must let me have the child. (S. 357) '■