Heft 
(1970) 10
Seite
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Das Kind, ein Mädchen, war blind geboren, und wenn der Dichter die Vater­schaft auch nicht direkt klarstellt, so läßt er den Leser durch die Rolle des allwissenden Erzählers", der die Gedanken Evas in Worte faßt, nicht im Ungewissen:

Her own life for her own sake, as she had lived it, doing her best,

seemed over, a thing finished, like a squeezed lemon: she fought, from

the breaking dawn into the night-watches, for her child. For his child.

She thought sadly, and sweetly, of Gallas. (S. 342)

Mehr ist auch nicht notwendig. Ob Eva ihre Tochter mitnehmen darf, als sie ihren Mann verläßt, erfahren wir nicht. Auch eine gesetzliche Scheidung wird nicht ausgesprochen. Aber es scheint, als ob Eva sich aus dem Haus ihres Mannes allein ohne ihr Kind entfernt, um zu den Nonnen nach Rexlo zu gehen: ,As she passed along the little passage, she stopped, for one moment, to pat the dog.' (S. 359) Und damit endet der Roman. Selbst den Hund des Hausherrn hatte Maartens nach dem Vorbild Fontanes nicht wegge­lassen. Aber im Gegensatz zum Fontaneschen Rollo war Sherlock, ein Schäfer­hund, nie seiner Herrin zugetan, und Eva fürchtete sich stets vor dem Tier.

Nun setzt aber Maarten Maartens' Roman nicht nur die Tradition des Ehe­romans des neunzehnten Jahrhunderts fort, sondern er bringt auch Neues: Kritik an der bestehenden Gesellschaftsordnung in Holland. Lourens und Marie Melissant, die Eltern Evas, besaßen ein Landgut und führten ein komfortables Leben nach dem Motto: .Live and let live' (S. 17). Der Vater Evas, in einem Gespräch mit dem die Universität besuchenden Sohn seines Gärtners, ließ sogar sozialistische Sympathien durchblicken, als er nämlich erklärte: ,1 myself should be a Socialist, if I hadn't the means' (S. 19).

Auch mit dem Klerus Hollands verfährt Maartens nicht nachsichtig. Der aus dem holländischen Leben nicht wegzudenkende protestantische Geistliche, der .domine', und seine Frau, in diesem Roman die Klatschtante des Dorfes, wer­den in all ihrer menschlichen Schwäche dargestellt. Dagegen schneidet der katholische Geistliche, .Father Bredo', wesentlich besser ab. Zu ihm faßt Eva Vertrauen und wechselt seinetwegen sogar zum Katholizismus über.

Wer war nun Maarten Maartens? Als Jozua, Marius, Willem Schwartz 5 wurde er am 15. August 1858 in Amsterdam geboren. Sein Vater, Karl Schwartz, ein Jude, stammte aus dem preußischen Teil Polens und hatte sich taufen lassen. Er wurde Pastor und wirkte als Missionar unter den Juden in Ungarn. Fünf Jahre lang versah er Missionsdienste in Berlin, danach amtierte er in Amster­dam, wo er nach dem Tode seiner ersten Frau eine Holländerin heiratete, die die Mutter unseres Dichters wurde. Im Jahre 1864 zog die Familie nach Lon­don, wo sie bis zum Tode von Dr. Karl Schwartz verblieb. Diese sechs Jahre waren für den jungen Schwartz entscheidende Lehrjahre, in denen er die englische Sprache so meisterte ,that it will always excite the wonder of the British-born and the admiration of his countrymen'. 0

Darauf besuchte Jozua Schwartz das Gymnasium in Amsterdam, bis die Mut­ter mit ihm nach Bonn zog, wo er am Königlichen Gymnasium das Abitur ablegte. Wieder zog die Familie nach Holland zurück, wo Schwartz an der Universität in Utrecht in den Rechts- und Staatswissenschaften promovierte.

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