Die internationalen wissenschaftlichen Konsequenzen werden nicht ausbleiben; schon jetzt kann mit Gewi5heit konstatiert werden: sowohl was die Textdarbietung als auch was die Beigaben betrifft, stellt die Ausgabe nicht irgendein neues Glied in der langen Kette von Fontane-Editionen seit acht Jahrzehnten dar (die erste Gesamtausgabe war 1890 91, zum 70. Geburtstag, erschienen), sondern repräsentiert eine Qualität, angesichts derer alle bisherigen Ausgaben der Fontaneschen Romane einer nunmehr überwundenen Stufe angehören. Natürlich heißt das auch hier in keinem Betracht, daß das Verdienst von Vorgaben und Pionierleistungen geschmälert werden sollte. Das Unternehmen des Aufbau-Verlages hätte ohne sie nicht gelingen können.
Das gilt mit Abstand zuerst von der Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Archiv, zu dem seit 1965 auch der große Fontane-Bestand der Deutschen Staatsbibliothek gehört. An dieser Stelle ist nochmals ein Wort des Dankes an seinem Ort, ohne das jeder Versuch einer angemessenen Einschätzung der Ausgabe nicht zu verantwortendes Stückwerk bliebe: das in der Weimarer Republik von Fontanes Söhnen auf eigene Hand begründet, in der Nazizeit von der Brandenburgischen Provinzialverwaltung in nahezu .geheimer' Aktion übernommene und auf kümmerlichsten Etat gesetzte Archiv hätte seine unbestrittene Weltgeltung — von der nicht nur die hier zu würdigenden acht Bände, sondern auch ausnahmslos jede der zahlreichen Editionen und Publikationen in der DDR, in Westdeutschland und im Ausland allerorts und auf ergiebigste Weise profitieren — nie erlangen können ohne die schon erwähnte Art beispielhafter Förderung, die es durch die Regierung der DDR erfuhr. So ist das Potsdamer Archiv und damit auch die vorliegende Ausgabe recht eigentlich eine abermalige dokumentarische Bestätigung der eingangs vorgenommenen Bestimmung der tatsächlichen Heimstatt einer Hinterlassenschaft von weltliterarischem Rang und säkularer Geltung.
Die Ausgabe beschränkt sich auf das epische G roh werk des alten Fontane: auf die sechzehn Romane und Erzählungen, die dieser von 1878 bis 1898 selbst zum Druck gab; dazu kommt die posthum (1906,07) erschienene , Mathilde Möhring', auch sie ist ein Produkt des letzten Altersjahrzehnts. Diese Entscheidung der Herausgeber war nicht so selbstverständlich, wie sie vielleicht erscheinen könnte. Denn immerhin bedeutete sie sowohl den Verzicht auf einige Jugendnovellen und auf die vom alten Fontane selbst in dem Bande .Von, vor und nach der Reise' (1893) gesammelten und veröffentlichten kleineren Erzählungen und Skizzen einerseits (einige davon sind nach Gehalt und Gestaltung nicht ohne Bedeutung) als auch den auf die zahlreichen epischen Entwürfe und Fragmente andererseits. Was diese letzteren betrifft, so bleibt zu hoffen, dafj bald ein Ergänzungsband die vier umfangreichsten, ebenso aussagekräftigen wie interessanten Romanfragmente des alten Fontane (,AHerlei Glück“, ,Storch v. Adebar“, .Ocenne von Patceval“ und .Die Like- deeler“) auch den Lesern in der DDR zugänglich macht. Sie würden einen stattlichen Band für sich füllen und enthalten viele bereits völlig ausstilisierte Passagen bis hin zu ganzen Kapiteln, die das realistische Alterswerk Fontanes auf die vielfach weithin selbständige Weise (.Die Likedeeler') ergänzen.
Dafj im übrigen der Verlag nicht bei diesen acht Bänden stehenbleiben wird, gilt als ausgemacht; ein Blick auf die bisher vorliegenden 15 umfangreichen Bände der Zweiten und Dritten Abteilung der .Nymphenburger Gesamtaus-
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