von Th. Fontanes .Schriften und Glossen zur europäischen Literatur" in der von Emil Staiger herausgegebenen Reihe .Klassiker der Kritik'.) Vielleicht mangelt Fontane die brillierende Polemik eines Lessing — dafür war er von Natur zu bescheiden — und bestimmt fehlt ihm die ichbezogene Kritikfreudigkeit und ironische Überheblichkeit eines Alfred Kerr oder Karl Kraus — dafür war Fontane zu selbstkritisch und zu sicher in seinem Urteil. .Kein kritischer Geist der deutschen Literatur und Theatergeschichte hat so selbstverständlich, so unaufwendig, bei aller inneren Sicherheit so bescheiden und zu unaufhörlicher Selbstkorrektur bereit zu urteilen und zu siegen gewußt wie Theodor Fontane". Diese Feststellung Joachim Kaisers (Süddeutsche Zeitung, München, 1.3. Juni 1968) trifft sogar auf die nicht mit der Absicht einer Veröffentlichung erfolgten Niederschriften des Dichters zu, die Dr. phil. habil. Hans- Heinrich Reuter als .Aufzeichnungen zur Literatur" aus dem Fontane-Archiv vorlegt.
Im Fontane-Jahr — mehr als rechtzeitig zur Feier des 150. Geburtstages unseres Dichters — hat der bekannte Weimarer Literaturhistoriker und Fontaneforscher seine umfangreiche Edition von Fontanes .Schriften zur Literatur" (1960) durch .Ungedrucktes und Unbekanntes" zu deutschen und außerdeut- schen Dichtern und Dichtungen sowie zu allgemeinen Fragen der Literatur und Kunst ergänzt. Der Wissenschaftler hätte sehr gerne eine Gesamtausgabe der Fontaneschen Schriften zur Literatur auf seinem Schreibtisch gehabt und bedauert es, daß von diesen .zum Privatgeb’rauch" niedergeschriebenen Aufzeichnungen nun doch nur eine Auswahl vorgelegt wird. Er bedauert es um so mehr, als der Herausgeber in seinem durch wissenschaftliche Akribie und bemerkenswertes Einfühlungsvermögen herausragenden Anmerkungsteil (172 Seiten) zum vorliegenden Band bewiesen hat, daß er auch .das nach Stoff und Thema, Gehalt und gedanklicher Ausformung ausgesprochen Periphere oder Zufällige" in einem sinn- und wirkungsvollen, für den Forscher wichtigen Zusammenhang zu bringen vermocht hätte. Aber das sei nur am Rande vermerkt, weil Reuter mit dem Hinweis auf das Handschriftenverzeichnis des Theodor-Fontane-Archivs (1962) den fehlenden Rest erschlossen hat und weil zugegebenermaßen dadurch das Gesamtniveau des Bandes in Fontanescher Weise sehr beachtlich geworden bzw. geblieben ist.
Dr. Hermann Fricke, der am 18. Dezember 1935 die erste formelle Sammlung von Fontane-Handschriften vornahm und den eine jahrzehntelange Freundschaft mit dem letzten Sohn des Dichters, Friedrich Fontane, verband, schrieb aus Anlaß der Edition dieses Ergänzungsbandes an den Leiter des Theodor- Fontane-Archivs, Joachim Schobeß, u. a.:
.... Es war kurz vor dem Tode von Samuel Fischer, als Friedrich Fontane in meiner Begleitung den damals schon zum Verlagsdirektor avancierten Peter Suhrkamp in der Lützowstraße aufsuchte, Friedrich Fontane mit dem Maschinenschrift Ms., des von Paul Heyse schon geforderten Bandes der Schriften seines Vaters zur Literatur unter dem Arm. Ich glaube, nur der, der die vielen Versuche Friedrich Fontanes für dessen Drucklegung kennt, kann sich vorstellen, wie es uns nach einem halben Dutzend Ablehnungen erwartungsvoll zu Mute war. Kein Verlag wollte an solch Philologenstück sein Geld investieren, auch der Fischer-