Heft 
(1970) 10
Seite
122
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von Th. Fontanes .Schriften und Glossen zur europäischen Literatur" in der von Emil Staiger herausgegebenen Reihe .Klassiker der Kritik'.) Vielleicht mangelt Fontane die brillierende Polemik eines Lessing dafür war er von Natur zu bescheiden und bestimmt fehlt ihm die ichbezogene Kritikfreudig­keit und ironische Überheblichkeit eines Alfred Kerr oder Karl Kraus dafür war Fontane zu selbstkritisch und zu sicher in seinem Urteil. .Kein kritischer Geist der deutschen Literatur und Theatergeschichte hat so selbstverständlich, so unaufwendig, bei aller inneren Sicherheit so bescheiden und zu unaufhör­licher Selbstkorrektur bereit zu urteilen und zu siegen gewußt wie Theodor Fontane". Diese Feststellung Joachim Kaisers (Süddeutsche Zeitung, München, 1.3. Juni 1968) trifft sogar auf die nicht mit der Absicht einer Veröffent­lichung erfolgten Niederschriften des Dichters zu, die Dr. phil. habil. Hans- Heinrich Reuter als .Aufzeichnungen zur Literatur" aus dem Fontane-Archiv vorlegt.

Im Fontane-Jahr mehr als rechtzeitig zur Feier des 150. Geburtstages unse­res Dichters hat der bekannte Weimarer Literaturhistoriker und Fontane­forscher seine umfangreiche Edition von Fontanes .Schriften zur Literatur" (1960) durch .Ungedrucktes und Unbekanntes" zu deutschen und außerdeut- schen Dichtern und Dichtungen sowie zu allgemeinen Fragen der Literatur und Kunst ergänzt. Der Wissenschaftler hätte sehr gerne eine Gesamtausgabe der Fontaneschen Schriften zur Literatur auf seinem Schreibtisch gehabt und bedauert es, daß von diesen .zum Privatgebrauch" niedergeschriebenen Auf­zeichnungen nun doch nur eine Auswahl vorgelegt wird. Er bedauert es um so mehr, als der Herausgeber in seinem durch wissenschaftliche Akribie und be­merkenswertes Einfühlungsvermögen herausragenden Anmerkungsteil (172 Seiten) zum vorliegenden Band bewiesen hat, daß er auch .das nach Stoff und Thema, Gehalt und gedanklicher Ausformung ausgesprochen Periphere oder Zufällige" in einem sinn- und wirkungsvollen, für den Forscher wichtigen Zusammenhang zu bringen vermocht hätte. Aber das sei nur am Rande ver­merkt, weil Reuter mit dem Hinweis auf das Handschriftenverzeichnis des Theodor-Fontane-Archivs (1962) den fehlenden Rest erschlossen hat und weil zugegebenermaßen dadurch das Gesamtniveau des Bandes in Fontanescher Weise sehr beachtlich geworden bzw. geblieben ist.

Dr. Hermann Fricke, der am 18. Dezember 1935 die erste formelle Sammlung von Fontane-Handschriften vornahm und den eine jahrzehntelange Freund­schaft mit dem letzten Sohn des Dichters, Friedrich Fontane, verband, schrieb aus Anlaß der Edition dieses Ergänzungsbandes an den Leiter des Theodor- Fontane-Archivs, Joachim Schobeß, u. a.:

.... Es war kurz vor dem Tode von Samuel Fischer, als Friedrich Fon­tane in meiner Begleitung den damals schon zum Verlagsdirektor avan­cierten Peter Suhrkamp in der Lützowstraße aufsuchte, Friedrich Fon­tane mit dem Maschinenschrift Ms., des von Paul Heyse schon gefor­derten Bandes der Schriften seines Vaters zur Literatur unter dem Arm. Ich glaube, nur der, der die vielen Versuche Friedrich Fontanes für dessen Drucklegung kennt, kann sich vorstellen, wie es uns nach einem halben Dutzend Ablehnungen erwartungsvoll zu Mute war. Kein Verlag wollte an solch Philologenstück sein Geld investieren, auch der Fischer-