Heft 
(1970) 10
Seite
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Verlag nicht! Darüber sind nun fast zwei Menschenalter hingegangen! Als ich dann mir 1960 den ersten Band des Aufbau-Verlages erstand, fehlten die unpublizierten Potsdamer Mss. Nun sind sie endlich da, und ich sehe an allem, wer die eigentliche Arbeit daran geleistet hat. Sie kennen meinen Grundsatz, soviel wie möglich Fontane-Worte, so wenig wie möglich Philologisches! ..."

Der Herausgeber hat beides vorgelegt: soviel wie möglich Fontane-Worte im Original (mit .behutsamer Modernisierung von Orthographie und Interpunk­tion' sowie »Korrektur kleiner und offensichtlicher Schreibversehen") und, davon getrennt, einen philologischen Anmerkungsapparat, der volle Anerken­nung verdient.

Zeitlich fallen die .Aufzeichnungen zur Literatur" in die Jahre von 1870 bis 1890, also in den Zeitabschnitt, den Fontane im 3. Band seiner unvollendet gebliebenen Lebenserinnerungen alsKritische Jahre Kritikerjahre" be­zeichnet und der dem epischen Aufbruch unmittelbar vorausging. Mittels des .Psychographen" und der Kritik gewann Fontane die Distanz zum Geschaffe­nen und verschaffte sich die Gewi5heit einer tragfesten Anschauung von Welt und Kunst und Leben, die er zum realistischen Epiker brauchte.

Thematisch spannt sich der Bogen der Niederschriften von Goethe, Jean Paul, Achim von Arnim, Kleist, Schopenhauer, Gustav Freytag, Spielhagen, Max Kretzer u. a. über Smollett, Fielding, Sterne, Zola, Ibsen u. a. zu allgemeinen literarischen Fragen wie Realismus, Romantizismus, Idealismus, Übersetzungs­kunst und die gesellschaftliche Stellung des Schriftstellers in Deutschland. Als Krönung ist dem Band FontanesLiterarische Selbstbiographie" aus dem Jahre 1874 vorangestellt.

Insgesamt erweist sich die Editionsleistung Reuters im Sinne auch der Aus­führungen von Dr. Fricke als längstfälliges Desiderat, das den Zugang zur Gesamtbeurteilung des Essayisten, Ästhetikers und Gesellschaftskritikers sei­ner Zeit verbreitert.

Dr. Werner Lincke, Stuttgart

Theodor Fontane: Briefe an Julius Rodenberg. Eine Dokumentation. Herausgegeben von Hans-Heinrich Reuter.

Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1969, XLV, 342 Seiten

Julius Rodenberg (eigentlich Julius Levy, aus Rodenberg in Hessen stammend, 1831-1914), Journalist und Romanschriftsteller, war als Herausgeber des Salons für Literatur, Kunst und Gesellschaft, vor allem aber (seit 1875) der Monatsschrift Deutsche Rundschau (Verlag Gebrüder Paetel) einer der einfluß­reichsten Männer in der deutschen Literatur zwischen 1870 und 1914. Die Deutsche Rundschau zählte fast alle prominenten deutschsprachigen Schrift­steller der Epoche zu ihren Mitarbeitern. Fontane veröffentlichte zahlreiche Arbeiten in den Zeitschriften Rodenbergs. Am wichtigsten sind die Vorab­drucke der Romane Unwiederbringlich (1891), Frau Jenny Treibei (1892) und Efii Briest (1894/95). Außerdem ließ Fontane Stücke aus den Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Teile aus dem autobiographischen Werk Von Zwanzig bis Dreißig (1896) und anderes bei Rodenberg drucken.

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