Heft 
(1971) 12
Seite
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Friedrich Fontane erhalten; der Text stimmt jedoch an einigen Stellen nicht mit dem Urtext im Notizbuch überein. Über den weiteren Verlauf der Rheinreise hat Hermann Fricke in seinem Artikel berichtet und den Bericht mit verschiedenen Zitaten aus den Notizbuchaufzeichnungen belegt.

Die Rheinreise führte Theodor Fontane in eine berühmte, viel besungene Landschaft, die er schon im April des Jahres 1852, als er sich, auf dem Wege nach England, dort etliche Tage aufhielt, kennengelernt hatte. Von Köln aus fuhr er über Koblenz und Bingen nach Mainz und von Mainz über Worms und Speyer nach Karlsruhe.

Das Rheinland gehört seit dem 19. Jahrhundert zu den wohl am häufig­sten bereisten deutschen Gegenden. Sein Ruhm wurde damals neben der landschaftlichen Schönheit besonders durch die Vielzahl seiner historischen Denkmale des Mittelalters begründet.

Auch Fontanes zweite Rheinreise galt vornehmlich den großen mittel­alterlichen Baudenkmalen. Die Denkmale in Aachen und den Kölner Dom hatte er im Jahre 1852 schon besucht 2 , die anderen Kölner Bau- und Kunstdenkmale hingegen und die Dome zu Mainz, Worms und Speyer sah er im Jahre 1865 zum erstenmal.

Urteile über Denkmale, vor allem aber über Restaurierungen, wandeln sich; sie tragen deutlich sichtbar den Stempel des Stils und Geschmacks ihrer Zeit. Vieles ist deshalb auch bei Fontanes Betrachtungen über die Denkmale des Rheinlandes zeitbedingt und kann nicht mit heutigen Maß­stäben gemessen werden. Seine kunstgeschichtlichen Unsicherheiten und Irrtümer lassen sich zwar aus seinen laienhaften Vorstellungen erklären, sind aber ipn wesentlichen auch durch die damals allgemein noch unzu­länglichen kunstgeschichtlichen Forschungen und Veröffentlichungen be­dingt. Bei dieser Reise hat er nachweislich Karl BaedekersHandbuch für Reisende 3 und einen Führer durch Köln von Ph. M. Klein 4 benutzt und daraus obwohl er die kunstgeschichtlichen Angaben nicht unkritisch las 5 doch manchen Fehler übernommen.

Zeigen Fontanes Notizen über die rheinischen Denkmale in manchem die Züge der Zeit, so offenbaren sie in anderem wiederum eine sehr individuelle Auffassung und in einer Epoche, die gerade in diesen Berei­chen allzusehr zum Lehrhaften neigte, ein undogmatisches Kunsturteil. Solche Spannungen zwischen traditioneller Gebundenheit und eigenem kritischen Urteil bezeichnet Hans-Heinrich Reuter 6 als überhaupt charak­teristisch für den Dichter. Auf Fontanes autonomes und unbestechliches Kunsturteil verweist Wilhelm Vogt in seinem 1949/50 publizierten Aufsatz Fontane und die bildende Kunst 7 .

Belesen und vielseitig gebildet begegnet Fontane den Kunstwerken zugleich unvoreingenommener als die Mehrheit seiner Zeitgenossen. Vielleicht hat neben seiner künstlerischen Sensibilität auch gerade sein Laientum mit dazubeigetragen, ihn vor Systemen und schulmäßigen Urteilen über die Denkmale und ihre Restaurierungen zu bewahren 8 . Sein besonderes Interesse wandte sich während der Rheinreise den großen Domen in Mainz, Worms und Speyer zu, vor allem fesselte die

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