Heft 
(1971) 13
Seite
330
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vermittelte darüber hinaus in Verwirklichung der Devise des befreun­deten Hildburghausener Chefs des Bibliographischen Instituts, Joseph Meyer,Bildung macht frei in billigen Buchreihen allen Volksschichten Kenntnisse und Unterhaltung. In Erfüllung der Gesetze der Burschen­schaft, imPhilisterium ihre Gedanken und Ziele weiterzutragen und zu unterstützen, war auch im privaten Bereich Binders Haus Heimstätte der neuen Generation von Burschenschaftlern. Hier begegnete Fontane den progressiven Studenten Schauenburg und Kriege. Besonders Kriege stand in engstem Kontakt zu Robert Blum, einer Zentralfigur aller poli­tischen Bestrebungen Sachsens. Über Krieges Entwicklung seit seiner An­kunft in Leipzig schrieb ihm ein älterer Burschenschaftsbruder am 6. August 1842 aus Tübingen:Wenn ich an die Zeit zurückdenke, wie Du nach Leipzig kamst, wie Du damals... noch an dem frommen Glau­ben Deiner Kindheit hingst... und wenn ich daneben die jugendlich be­geisterte, frische Gesinnung halte, die jede Zeile Deines Briefes atmet, wenn ich lese, wie Du einen guten Preußen und einen Absolutisten iden­tisch setzest, wie Du Dich über alle Verhältnisse freudig hinwegsetzest, um für das Eine zu streben, das unserer Zeit mit dem leider so bedenklich um sich greifenden Ernst-Augustianismus not tut, .. .so müßte mir diese in Dir vorgegangene Veränderung ganz unerklärlich erscheinen, wenn ich nicht schon, während ich noch in Leipzig war, dieselbe in Dir gar stark hätte sich vorbereiten sehn, und wenn ich nicht wüßte, daß Du mit Männern wie Pritzel und Blum in täglichem Verkehr ständest.

Robert Blums politischer Einfluß, Arnold Ruges Junghegelianismus und die Lehren Ludwig Feuerbachs bestimmten Krieges weiteren Weg. Ruges Bekanntschaft schloß er bereits während der Leipziger Studentenzeit, also während seines herzlichen Umgangs auch mit Fontane, in der Kneipe Waldschlößchen bei Dresden. Feuerbach, seinen verehrten Messias des Antichristentums 6 , denneuen Heiland in Fontanes GedichtAn Hermann Kriege (1844) in Bruckberg kennenzulemen, gelang ihm erst auf der Reise von Leipzig nach München im Oktober 1842. Aufgerüttelt vom 1841 erschienenenWesen des Christentums, von der Entdeckung der Philosophie als eines Mittels zurAnfeindung der bestehenden Regierungssysteme, gewann derüberschäumende Brause­kopf schon in Leipzig eine ungewöhnliche Macht über seine Mitstuden­ten, die er kraft der eigenen Begeisterung aus Verzweiflung und Trägheit emporzureißen vermochte. Überzeugt von seiner Berufung zumDozenten der Freiheit gab er Anfang 1842 die Medizin auf, widmete sich, um den Grundgedanken der Zeit zu erforschen, ganz dem Studium der moder­nen Theorien und entfaltete seine agitatorische Begabung. Überlieferte Briefe seiner Kommilitonen sind Dankesbezeugungen für den wohl­tuenden Einfluß und den moralischen Halt, die Kriegeverlodderten Bummlern gegeben, indem er ihnen Ziel und Richtung wies in einem studentischen Dasein, das dank der anmaßenden Vorherrschaft der aristo­kratischen Korps durch Wetteifern im Trinken und Duellieren, im Renom­mieren und Nichtstun gekennzeichnet war und besser Gesinnte oft ins Ausweglose stieß. Auch der Außenseiter Hermann Semmig wurde durch Kriege von einem Verzweiflungsschritt zurückgehalten und der Burschen-