mehrige Einjahrig-Freiwillige wegen Mitarbeit an Otto Lünings „Weserdampfboot“ und „weil er sich nicht entblödete, in Bielefeld auf offener Straße den Kommunismus zu predigen, ... zur Kriminaluntersuchung gezogen“ (Innenminister von Arnim im Oktober 1844 an den preußischen Minister des Auswärtigen 2 - 1 ) und zu drei Monaten Festung verurteilt wurde. Diese Situation, die Fontane 1844 vor Empörung beben machte, kehrt in seinen Erinnerungen 1897 nur noch als „sehr üble Lage“ wieder. Was dem jungen Radikalen als „Märtyrertum“ erschienen war, wollte der Greis nur als „Dummheit“ gelten lassen. Eine ähnliche Divergenz in der Auffassung von „damals“ und „heute“ kennzeichnet Fontanes ganze Schilderung des „Herwegh-Klubs“, nicht zuletzt im Hinblick auf Wolfsohns angebliche ..Führerrolle“. Durch die Charakterisierung des in der Forderung nach Freiheit „Maß haltenden“ Russen als „in bestimmter Richtung“ tonangebend wurde der wahre Charakter des Klubs so schwer durchschaubar gemacht, obwohl Wolfsohn andererseits — Fontane zufolge — ja „in den Klubsitzungen ... nicht sonderlich hervortrat“. In Fontanes Bevorzugung des russischen Freundes kommt neben dem gefühlsbedingten Nachwirken empfangener Treue noch etwas sehr Bezeichnendes zum Ausdruck: Wenn Wolfsohn „Vortrag hielt“ (Fontane), wenn der Odessaer Student im achten Semester aus seiner „Brotwissenschaft das allgemein Wissenschaftliche“ herausnahm (Kriege) und zum Disput vorlegte, ging es um deutsche, französische und vor allem um russische Literatur. Nicht die „scharfe, klare Auseinandersetzung“ des stud. jur. Cruciger über „das Recht, das mit uns geboren“ 2 ' 1 , die den jungen seiner eigenen Aussage nach in der Freiheitsforderung im Freundeskreis „obenan“ stehenden Dichter 1841/42 gewiß begeistert hat, ist in der Erinnerung des Alten präsent, sondern das für seinen Weg zum Romanschriftsteller Bedeutungsvolle. Diese Zusammenhänge deutsch-russischer Literaturbeziehungen, das Aufeinandertreffen von frühem studentischem Progreß und Vermittlung russischer Nationalliteratur durch Wolfsohn, sowie die Parallele zwischen deutschen progressistischen Kränzchen und den im Hinblick auf französische Aufklärung und deutsche Philosophie aus gleichen Quellen schöpfenden Studentenzirkeln der beginnenden vierziger Jahre in Rußland können jedoch nicht mehr Gegenstand dieses Beitrages sein. Er stellte sich vielmehr die Aufgabe, eine anzustrebende, in den Details möglichst korrekte Neudarstellung der Leipziger und Dresdner Zeit Fontanes durch Hinweis auf Tatsächliches zu erleichtern, wobei lebendig werden sollte, wie der junge Dichter — mit Charlotte Jolles’ Worten — „mitten in der Bewegung des Vormärz steht, wenn er auch nicht einer Partei im engeren Sinne zuzurechnen ist“ 1 ’- Liegt doch in einer genauen Kenntnis dieser frühen Lebensperiode auch die allseitige Erklärung für den achtundvierziger radikalen Journalisten sowie für den zwar Abstand wahrenden, doch „immer demokratischer“ werdenden alten Fontane.
Anmerkungen
1 Helmuth Nürnberger, Der frühe Fontane. Politik, Poesie, Geschichte. 1840 bis
1860, Hamburg 1967, S. 94; Der junge Fontane. Dichtung, Briefe, Publizistik.
Hrsg, von Helmut Richter, Berlin und Weimar 1969, Nachwort, S. 661 f.