einem trüben Gaslicht überflutet. Ich wohnte nämlich damals in der Hirscheistraße (jetzt Königgrätzer) an der Ecke der Dessauer Straße.“ Über diese Anfangskapitel sollte Fontane fürs erste nicht hinauskommen. In einem Briefe an seinen Verleger Wilhelm Hertz, vom 17. Juni 1866, spricht er noch immer von den Absichten, die er hat. „Ohne Mord und Brand und große Leidenschaftsgeschichten“, heißt es da, ,,hab’ ich mir einfach vorgesetzt, eine Anzahl märkischer (d. h. deutsch-wendischer, denn hierin hegt ihre Eigentümlichkeit) Figuren aus dem Winter 1812 auf 1813 vorzuführen, Figuren, die sich damals fanden und im wesentlichen auch noch jetzt finden. Es war mir nicht um Konflikte zu tun, sondern um Schilderung davon, wie das große Fühlen, das damals geboren wurde, die verschiedenartigsten Menschen vorfand, und wie es auf sie wirkte. Es ist das Eintreten einer großen Idee, eines großen Moments in an und für sich sehr einfachem Lebenskreise. Ich beabsichtige nicht zu erschüttern, kaum stark zu fesseln. Nur liebenswürdige Gestalten, die durch einen historischen Hintergrund gehoben werden, sollen den Leser unterhalten, womöglich schließlich seine Liebe gewinnen, aber ohne allen Lärm und Eklat. Anregendes, heiteres, wenn’s sein kann geistvolles Geplauder, wie es hierlands üblich ist, ist die Hauptsache an dem Buch. Dies hervorzubringen, meine größte Mühe“. Allein es traten andere Aufgaben an Fontane heran, und er sah sich genötigt, den ungeduldigen Hertz auf später zu vertrösten. Am 11. August 1866 schreibt er ihm: „Sie dürfen nicht glauben, daß mein Feuer für den Roman niedergebrannt ist. Im Gegenteil. Aber eben weil ich so sehr daran hänge, weil ich diese Arbeit als ein eigentliches Stück Leben von mir ansehe, so duldet diese Arbeit kein geteiltes Herz. An ein der Sache fremd Werden ist gamicht zu denken. Es ist nun zehn Jahre, daß ich mich mit dem Stoff trage, und wenn ich nach abermals zehn Jahren erst an die Fortsetzung der Arbeit herantreten könnte, so würde das weder meinen Eifer erlahmt noch die Ausführung alteriert haben. Das Feuer flackert nie hoch auf, aber es brennt still weiter: Vertagungen, Unterbrechungen ändern nichts“. Fontanes Ahnung sollte sich verwirklichen: es trat tatsächlich eine Unterbrechung von vollen zehn Jahren ein. In dieser Zeit entstanden die Werke über die Feldzüge von 1864, 1866 und 1870/71 sowie der dritte Band der „Wanderungen“. Bestätigen sollte sich aber auch seine Voraussage, daß sein Interesse an dem Roman immer lebendig bleiben würde. Das Jahr 1876 war herangekommen — ein denkwürdiges Jahr in des Dichters Lebensgeschichte. Es hatte ihm endlich ein Amt und ein festes Einkommen gebracht: er war Sekretär der Kgl. Akademie geworden. Aber wenige Monate später, und er wirft es wie eine unerträgliche Last von sich. Es folgten Wochen voll schwerster häuslicher Auseinandersetzungen. Aber Fontane blieb unbeirrbar. Er sah jetzt, der Siebenundfünfzig jährige, seinen Weg vorgezeichnet, diesen Weg, der in aller Literaturgeschichte so einzigartig ist und der ihn im letzten Viertel seines Lebens unter die Meistererzähler der deutschen, der europäischen Literatur einreihen sollte.
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