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dorfer Schloßherrn übernommen hat. Auch Fontane hatte sich bereits in seinen „Wanderungen“ mit Marwitz befaßt. Die Studie, die er ihm dort gewidmet hat, gehört nicht nur zu den umfangreichsten des ganzen Bandes, sie bekundet auch seine persönlichen Sympathien. Schon im ersten Entwurf des Romans war Marwitz zum eigentlichen Helden ausersehen, und seine Lebenserinnerungen, die Fontane aus dem vollständigen Frie- dersöorfer Manuskript gekannt haben muß — die erste Buchausgabe war wesentlich gekürzt — stellten daher von vornherein seine wichtigste Quelle dar. In der endgültigen Gestalt, die der Roman und sein Held erhielten, sind es aber nur noch wenige Charakterzüge, die Bernd von Vitzewitz mit seinem Urbilde gemeinsam hat. Sie beschränken sich auf Preußenstolz, Franzosenhaß und das Gefühl der vaterländischen Pflicht. Völlig verflüchtigt hat sich jeder Standesdünkel, und der alte Vitzewitz ist so frei von Vorurteilen, daß er gegen die Heirat seines Sohnes mit der Tochter des wandernden Akrobaten nichts einzuwenden hat — darin geradezu das Widerspiel von Marwitz, der etwa von dem „Pack, das sich jetzt die Gebildeten nennt“, sprechen konnte. An Einzelheiten hat der Roman aus Marwitz Erinnerungen übernommen: den frühzeitigen Tod der Gattin, durch den Berndt tiefgebeugt wird, den Schloßbrand, die Unterredung mit Hardenberg, der von Fontane durch den Prinzen Ferdinand ersetzt worden ist, endlich die Knabenerinnerung an den von der Revue heimkehrenden König Friedrich II. — die beiden letzten Szenen übrigens ziemlich getreu im Wortlaut der Vorlage. Auch das Urbild Lewins von Vitzewitz haben wir im Friedersdorfer Schlosse zu suchen. Es ist Marwitz’ Bruder Alexander. Um zehn Jahre jünger als jener, hatte er den Verlust des Vaters schon als Knabe zu beklagen, und der ältere Bruder versah an ihm Vormundsstelle. Im Roman stehen die beiden als Vater und Sohn nebeneinander. Dieser Verschiebung der verwandtschaftlichen Beziehungen entspricht es, wenn der alte Vitzewitz den Vornamen Bernd führt und seine Gattin aus französischer Refugiesfamilie stammt. Beides trifft für die Eltern der Brüder Marwitz zu. Alexander war eine glänzende Erscheinung und wesentlich anders geartet als der spartanisch empfindende Bruder. Ein echtes Kind der romantischen Epoche, vereint er hohe Begabung, ja Genialität mit Weltschmerz und innerer Zerrissenheit. Mit der Rahel, in der er „das größte Weib“ sieht, steht er in vertrautem Umgang und Briefwechsel. Aber obwohl literarischen und ästhetischen Interessen hingegeben, verleugnet er nicht das Soldatenblut seiner Ahnen. Dreimal zieht er gegen die verhaßten fremden Bedrücker zu Felde, an der Seite Schills, unter Österreichs und unter Preußens Fahnen. Er fällt 1814 in Frankreich. Die „Wanderungen“ enthalten auch sein Charakterbild. Von dieser reichen und problematischen Natur ist kaum ein bescheidenes Erbe auf Fontanes Lewin übergegangen, entgegen der ursprünglichen Absicht des Dichters, nach welcher Lewin, als Abbild Alexanders, der eigentliche Held des Romans werden und ihm den Namen geben sollte. Es bleibt nicht viel mehr als die äußerliche Übereinstimmung, daß Alexander, wie auch Lewin, von den Franzosen verhaftet und nach Küstrin gebracht wurde, wo ihm kriegsrechtliche Erschießung drohte. Lewins Charakter aber läßt ein ganz anderes Urbild erkennen: den jun-
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