Der Schulze Kniehase des Romans hat von ihm Namen und Charakter übernommen. Auch Kniehases Pflegetochter Marie, das Kind des fahrenden „starken Mannes“, ist auf Letschiner Erinnerungen Fontanes zurückzuführen. Es war wirklich im Dorfe ein wandernder Akrobat verstorben, dessen hinterlassene Tochter der Lehrer in sein Haus aufgenommen und großgezogen hatte. Der Name des Lehrers, Pachaly, ist im Roman merkwürdigerweise auf den Nachtwächter übergegangen. Die Hohen-Vietzer Bauern Scharwenka und Kümmritz sowie der Müller Miekley haben ebenfalls zu Fontanes Zeiten in Letschin existiert. Endlich Hoppen-Marie- ken, die häßliche Zwergin, die mit dem Korb auf dem Rücken und dem Krückstock in der Hand über Land wandert — die Figur ist vom Dichter porträtgelreu aus dem Letschiner Dorfleben übernommen worden. Sie war die Tochter eines Büdners, kaum einen Meter groß, und hieß in Wirklichkeit Dorothea Hoppe. Sie trieb einen kleinen Hausierhandel mit Küken und Eiern. Die Rolle der Botenfrau, die ihr im Roman zuerteilt ist, geht auf ein anderes Original zurück, mit dem sie Fontane verschmolzen hat. Es ist die Küstriner Bücherfrau, die der Dichter einmal in einem Letschiner Briefe geschildert hat. ..Das alte Weib“, schreibt er, „trägt einen geflickten Rock und Schmierstiefel, ihr guten Abend klingt wie das Donnerwetter eines Botsknechts — ihre Reise geht nicht durch die Lüfte, sondern knietief durch den dicksten Dreck, dennoch erscheint sie allen Hausbewohnern stets wie ein Engel vom Himmel“. Hoppenmariekens Wesen hat einen Anflug von Hexenhaftigkeit, und einmal gibt sie auch eine Probe ihrer geheimnisvollen Künste. Das ist während des Schloß- br.andes in Hohen-Vietz. Als das Feuer, das den Saalbau in Asche legt, im Begriff ist, auf die benachbarten Wohngebäude überzuspringen, da erscheint die Zwergin, murmelt ein paar Worte, stellt ihren Hakenstock in die gefährdete Ecke und marschiert wieder ab. Alsbald sinkt das Feuer in sich zusammen. Auch diese Szene stammt aus Marwitz’ Memoiren. Im Jahre 1806 war tatsächlich ein Teil der Friedersdorfer Gutsgebäude niedergebrannt, die Flammen hatten aber wunderbarerweise einen kleinen Stall verschont, der inmitten der Brandstätte lag. Marwitz berichtet nun, welche Erklärung man ihm auf seine verwunderte Frage gab. Nämlich: „Es kam ein alter Mann, sah das Feuer an, murmelte einige Worte, setzte den Stock gegen den Stall, sprach: laßt den Stock stehen — und ging fort. Soviel war wahr“ fügt Marwitz hinzu, „der Stock stand da, und der Stall war wunderbarerweise nicht niedergebrannt“. Was Pastor Seidentopf betrifft, so hat er seine Leidenschaft für Altertümer von dem Walchower Superintendenten Kirchner übernommen. In Seidentopfs altem Freunde Turgany soll nach einer Frankfurter Tradition der Jurist und Politiker Heinrich Bardeleben zu erkennen sein, der 1775 zu Prenz- lau geboren war und später in Frankfurt ansässig wurde. Überzeugend ist das nicht. Zunächst ist Turgany ..ein starker Fünfziger“, während Bardeleben zur Zeit der Erhebung erst die Mitte der Dreißig überschritten hatte. Das könnte hingehen, aber völlig unvereinbar sind die beiden Persönlichkeiten hinsichtlich des Charakters und der politischen Gesinnung. Turgany macht durchaus den Eindruck eines geistreichen Genießers und bezeichnet sich selbst als „alten Lebemann“. In einer Zeit, in der
Heft
(1971) 13
Seite
348
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