Heft 
(1971) 13
Seite
349
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sich die unterdrückten Deutschen das Herz stärkten an den Tugenden und Siegen des alten Germaniens, gefällt er sich darin, die alten Deut­schen als Wilde zu bezeichnen und ihnen die nach seiner Meinung höher gesitteten Wenden gegenüberzustellen. So geht denn auch sein Anteil an den Vorbereitungen des Frankfurter Überfalls nicht über ein delikates Frühstück hinaus, das er den Anführern des Unternehmens gibt. Dem­gegenüber ist an Bardeleben gerade der glühende Patriotismus der mar­kanteste Wesenszug, dem er es verdankt, daß sein Name heute noch unvergessen ist. Schon 1807 reicht er dem Freiherrn vom Stein eine Denkschrift überDie Zukunft Preußens ein, er wirkt mit an der Grün­dung des die Befreiung vorbereitenden Tugendbundes und erwirbt sich 1813 als Hauptmann der Landwehr das Eiserne Kreuz. Als einzig Ge­meinsames zwischen ihm und Turgany bleibt daher nur die Tatsache übrig, daß beide Justizräte in Frankfurt waren, was doch wohl nicht aus­reicht, um hier eine tiefere Beziehung herzustellen. Auch für die vier Polen, die Ladalinskis und den Grafen Bninski, sind keine Urbilder nach­zuweisen. Deutlich erkennbar ist jedoch, aus welcher politisch-literarischen Sphäre sie stammen: aus der der Polenromantik, die hier, wohl zum letzten Male und eindrucksvoller als je zuvor, in meisterhaft gezeich­neten Charakterbildern Gestalt gewinnt. In der Komposition des Romans stehen sie als Kontrastfiguren den Vertretern des Preußentums gegen­über. Renate von Vitzewitz ist wohl des Dichters eigenstes Geschöpf. Daß sie sein Liebling war, bezeugt er selber einmal in einem Briefe. Er hat in ihr sein Idealbild edler Weiblichkeit gezeichnet.

IV

Wenden wir uns jetzt der Handlung des Romans zu. Die Gattung des historischen Romans ist bekanntlich von Walter Scott geschaffen worden, der seinerseits entscheidende Anregungen durch GoethesGötz erhalten hatte. Scotts Werke stellten dann auch die Vorbilder dar, denen der historische Roman in allen Ländern nacheiferte. Auch Fontane gehörte zu den Bewunderern des englischen Dichters und brachte dies wiederholt zum Ausdruck, am überschwenglichsten in einem Brief vom 20. Mai 1868. Da entzückt er sich, nach seinen eigenen Worten,an jeder Zeile, an der Kindlichkeit, an der klaren Einfachheit des Ausdrucks und ruft lauter denn je: hoch Scott, ihr anderen seid doch alle nur Nachtwächter. Neuerdings ist nun ein amerikanischer Germanist namens Shears diesen literarischen Zusammenhängen nachgegangen und hat in seinem Buch The influence of Walter Scott on the novels of Th. Fontane (New-York 1922) den Nachweis zu erbringen versucht, daßVor dem Sturm in sehr weitgehendem Maße von ScottsWaverley beeinflußt sei. Shears will nicht nur in der Handlung eine deutliche Parallelität feststellen, sondern meint auch, daß Fontanes Hauptcharaktere von denen des Scottschen Romans abhängig seien. Einiges mag zutreffen, im ganzen aber vermag Shears, wie Friedrich Rosenfeld feststellt, nicht zu über­zeugen. Auch dürfen wir hier sicherlich Fontanes Selbstzeugnis als gewichtig anerkennen, wenn er in einem Briefe an seinen Verleger