sich die unterdrückten Deutschen das Herz stärkten an den Tugenden und Siegen des alten Germaniens, gefällt er sich darin, die alten Deutschen als Wilde zu bezeichnen und ihnen die nach seiner Meinung höher gesitteten Wenden gegenüberzustellen. So geht denn auch sein Anteil an den Vorbereitungen des Frankfurter Überfalls nicht über ein delikates Frühstück hinaus, das er den Anführern des Unternehmens gibt. Demgegenüber ist an Bardeleben gerade der glühende Patriotismus der markanteste Wesenszug, dem er es verdankt, daß sein Name heute noch unvergessen ist. Schon 1807 reicht er dem Freiherrn vom Stein eine Denkschrift über „Die Zukunft Preußens“ ein, er wirkt mit an der Gründung des die Befreiung vorbereitenden Tugendbundes und erwirbt sich 1813 als Hauptmann der Landwehr das Eiserne Kreuz. Als einzig Gemeinsames zwischen ihm und Turgany bleibt daher nur die Tatsache übrig, daß beide Justizräte in Frankfurt waren, was doch wohl nicht ausreicht, um hier eine tiefere Beziehung herzustellen. Auch für die vier Polen, die Ladalinskis und den Grafen Bninski, sind keine Urbilder nachzuweisen. Deutlich erkennbar ist jedoch, aus welcher politisch-literarischen Sphäre sie stammen: aus der der Polenromantik, die hier, wohl zum letzten Male und eindrucksvoller als je zuvor, in meisterhaft gezeichneten Charakterbildern Gestalt gewinnt. In der Komposition des Romans stehen sie als Kontrastfiguren den Vertretern des Preußentums gegenüber. Renate von Vitzewitz ist wohl des Dichters eigenstes Geschöpf. Daß sie sein Liebling war, bezeugt er selber einmal in einem Briefe. Er hat in ihr sein Idealbild edler Weiblichkeit gezeichnet.
IV
Wenden wir uns jetzt der Handlung des Romans zu. Die Gattung des historischen Romans ist bekanntlich von Walter Scott geschaffen worden, der seinerseits entscheidende Anregungen durch Goethes „Götz“ erhalten hatte. Scotts Werke stellten dann auch die Vorbilder dar, denen der historische Roman in allen Ländern nacheiferte. Auch Fontane gehörte zu den Bewunderern des englischen Dichters und brachte dies wiederholt zum Ausdruck, am überschwenglichsten in einem Brief vom 20. Mai 1868. Da entzückt er sich, nach seinen eigenen Worten, „an jeder Zeile, an der Kindlichkeit, an der klaren Einfachheit des Ausdrucks und ruft lauter denn je: hoch Scott, ihr anderen seid doch alle nur Nachtwächter“. Neuerdings ist nun ein amerikanischer Germanist namens Shears diesen literarischen Zusammenhängen nachgegangen und hat in seinem Buch „The influence of Walter Scott on the novels of Th. Fontane“ (New-York 1922) den Nachweis zu erbringen versucht, daß „Vor dem Sturm“ in sehr weitgehendem Maße von Scotts „Waverley“ beeinflußt sei. Shears will nicht nur in der Handlung eine deutliche Parallelität feststellen, sondern meint auch, daß Fontanes Hauptcharaktere von denen des Scottschen Romans abhängig seien. Einiges mag zutreffen, im ganzen aber vermag Shears, wie Friedrich Rosenfeld feststellt, nicht zu überzeugen. Auch dürfen wir hier sicherlich Fontanes Selbstzeugnis als gewichtig anerkennen, wenn er in einem Briefe an seinen Verleger