Beschreibung dieser Zeit veranlaßte, verlangt äußerste Vorsicht bei der nicht zu umgehenden Aufstellung von Hypothesen. Beweisführende Schlußfolgerungen aus Vermutungen verbieten sich von selbst. Wird eine in den Anmerkungen (S. 708 und 719) ausdrücklich als solche bezeich- nete Hypothese, wie jene von Fontane möglicher, durch einen zweiten Anwärter wieder in Frage gestellter Verfasserschaft der „Kleinigkeiten aus Berlin“, im beschreibenden Text als feststehende Tatsache behandelt und daraus bewiesen, daß Fontane in diesen „Kleinigkeiten“ Karl Marx' Forderung nach Schilderung eines wechselseitigen dumpfen Drucks aller sozialen Sphären aufeinander „in Ehren“ erfüllt habe (S. 674), macht der Autor es seinem Leser in einem wichtigen Punkt schwer, ihm zu folgen.
Die anläßlich unserer — hier gekürzt wiedergegebenen — Besprechung in der „Zeitschrift für Slawistik“ (Band XV, H. 5, 1970, Akademie-Verlag Berlin, S. 784 ff.) herausgestellten Ungenauigkeiten in Richters Buch bedürften — nur für sich betrachtet — sicher nicht der Hervorhebung. Sie zeigen aber, daß trotz ausgezeichneter Darstellung der historischen und literarischen Situation des Vormärz und feinfühligen Verständnisses für Fontanes Frühschaffen unzureichendes Quellenmaterial zu krampfhaften Hypothesen führen und dadurch im vorliegenden Fall der beabsichtigte Nachweis der inneren Kontinuität in der Entwicklung des „jungen“ zum „alten Fontane“ nicht gelingen kann. Für die vierziger Jahre in ideologische Nähe zu Marx und Engels gerückt, wird diese Kontinuität fragwürdig gemacht, wenn der Dichter in den folgenden Jahrzehnten schließlich in seiner politischen Entwicklung „die Grenze der Gesinnungslosigkeit“ überschreitet (S. 685). Fontanes Alterswerk läßt keinen Rückschluß auf einen derartigen Bruch in der Persönlichkeit zu. Eine zeitgemäße Betrachtungsweise hat die verantwortungsvolle Aufgabe, den Dichter, der selbst dem „innersten Leben“ der Kunstwerke, dem vom Künstler als unauswechselbarem Individuum über das Handwerkliche hinaus in seine Schöpfungen Hineingetragenen, nachspürte, unvoreingenommen aus seiner widerspruchsvoll gewachsenen Persönlichkeit und aus dem Werk, das seinen innerhalb der historischen Wirklichkeit bewußt und unbewußt bezogenen Standpunkt impliziert, zu interpretieren.
— Dr. Christa Schultze —
Theodor Fontane und die preußische Akademie der Künste. Ein Dossier unveröffentlichter Briefe und Dokumente des Jahres 1876. Aus dem Archiv der Akademie der Künste West-Berlin. Hrsg. v. Dr. Walther Huder. 108 S. (Berlin: Propyläen-Verl. 1971.) Format 24X34 cm.
Der Propyläen-Verlag hat einen Druck der Berliner Handpresse übernommen und legt in einer garantiert einmaligen numerierten Auflage von 700 Exemplaren die o. a. Edition in vorzüglicher Ausstattung vor. Diese Dokumentation, die zum erstenmal alle erhalten gebliebenen Aktenstücke, Briefe, Protokollnotizen, Verfügungen einsammelt und kommen-
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