22 Julius Wolff (1834—1910). ein damals viel gelesener Unterhaltungsschriftsteller, hatte 1875 die Versdichtung „Der Rattenfänger von Hameln“ veröffentlicht und damit den Namen Hamelns bekannter gemacht (vgl. dazu Renken: Die Rattenfänger-Sage. In: Die Stadt Hameln. Berlin 1929, S. 39 f. = Monographien deutscher Städte. Bd. 33.). „In dankbarer Anerkennung des Verdienstes“, das WolfT um Hameln erworben hatte (wie es in der Urkunde heißt), verlieh ihm die Stadt am 28. 6. 1884 die Ehrenbürgerwiirde. - Uber Fontanes Verhältnis zu Julius Wolfl, in dem er sozusagen den Prototyp eines mäßigen Schriftstellers sah, der nach dem nicht gerade sehr guten Geschmack gewisser Leserschichten schrieb und mehr als gut verdiente, siehe Hans-Heinrich Reuter in AL 325-327.
23 Hugo Lubliner (1846—1911), Pseudonym: Hugo Bürger, Dramatiker und Romanschriftsteller. Lubliner halte als Bühnenautor einen gewissen Erfolg beim Publikum, schnitt aber in den Rezensionen, die Fontane über die Aufführungen seiner Stück für die Vossische Zeitung schrieb, im Ganzen ziemlich schlecht ab. So wirft Fontane Lubliner 1879 vor: „Eine geschickte Hand besaß der Herr Verfasser immer, aber keine Bildnerhand. Er setzte zusammen, aber er schuf nicht“ (SW XXII, I, 767). Den „Fundamentalsatz der Hugo Bürgerschen Muse“ formuliert Fontane 1881 folgendermaßen: „Die Summe der Teile, ja, der Teilchen entscheidet; nicht der eigentliche Inhalt, nicht das in einem Grundgedanken sich aussprechende Ganze“ (SW XXII, II, 75). „Das Bühnentalent ist groß,“ bescheinigt Fontane 1884, „die Kunst des Abkonterfeiens von Menschen und Leben dagegen ist klein“ (SW XXII, II, 280). Vor allem wendet sich Fontane gegen den Mangel Lebenswahrheit, Natürlichkeit und Wahrscheinlichkeit, der den Personen und Handlungen Lublinerscher Stücke anhaftete.
Als es nicht mehr Fontanes Aufgabe war, Lubliner-Aufführungen in der Vos- slschen Zeitung zu besprechen, kam Lubliners Stück „Der kommende Tag“ (1891) auf die Bühne. Der Verfasser griff damit in die gerade damals geführte Debatte über schulpolitische Fragen ein. Er versuchte, wie Adalbert von Han- stein (A. v. H.: Das jüngste Deutschland. 2. Abdruck. Leipzig 1901, S. 227) ironisch bemerkt, die soziale Frage auf seine Weise zu lösen, indem er vorschlug, „der Kaiser muß Befehl geben, daß Fortbildungsschulen für das Volk geschaffen werden“. Das erregte offenbar das Interesse Kaiser Wilhelms II., der bei der Erstaufführung im Königlichen Schauspielhaus am 16. 11. 1891 zugegen war. Richard Fellner, Theaterkritiker und einer von Fontanes Nachfolgern, berichtet darüber in der Vossischen Zeitung (Nr. 537, Morgenausgabe vom 17. 11. 1891. Beilage): „Der Verfasser, welcher nach jedem Akte an der Rampe erschien, wurde während einer Pause in die Hofloge befohlen, wo ihn der Kaiser durch eine augenscheinlich mit lebhaftem Interesse geführte Unterredung auszeichnete.“ —
Als Fontane am 6. 12. 1891 (also etwa drei Wochen danach) d«n Herausgeber des „Magazins für Literatur“, Fritz Mauthner, aufforderungsgemäß das Manuskript seines (schon Jahre zuvor geschriebenen) Aufsatzes „Die gesellschaftliche Stellung der Schriftsteller“ übersandte, kam er im Begleitbrief ebenfalls auf Hugo Lubliner zu sprechen; er bemerkte, nachdem er die Auszeichnungen aufgezählt hatte,, die einigen deutschen Schriftstellern durch die herrschenden t Kreise in Preußen-Deutschland zuteil geworden waren: „und (nicht zu glauben) selbst Lubliner wird in die Hofloge gerufen“. (Der Brief liegt im Mauth- ner-Nachlaß in Meersburg am Bodensee: die Abschrift, die der Herausgeber besitzt, soll ln anderem Zusammenhang publiziert werden.)
24 Die Schiller-Verse aus der „Jungfrau von Orleans“ (I, 2), die Fontane hier, wie auch anderwärts, frei zitiert, lauten eigentlich:
Drum soll der Sänger mit dem König gehen,
Sie beide wohnen auf der Menschheit Höhen.
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