darum in keiner Weise respektables Dasein. So kann der Eindruck entstehen, als entspräche die Literatur überhaupt keinem echten Bedürfnis, besonders die Lyrik nicht, als sei Dichtung so etwas wie Spielerei, während die bildenden Künstler und Musiker Immerhin ein gewisses gesellschaftliches Bedürfnis befriedigen und darum Achtung und Anerkennung erfahren.
Fontane glaubt Jedoch, zugleich darauf hinweisen zu müssen, daß in einem gewissen Sinne die geringe gesellschaftliche Stellung des Schriftstellers sich notwendigerweise aus seinem Metier ergibt. Denn der Dichter ist von Profession Kritiker der Gesellschaft seiner Zeit. Er versagt als solcher der Gesellschaft die volle Anerkennung. Kein Wunder, daß mithin die Gesellschaft ihn nicht anerkennt. Außer der kritischen Haltung ist dem Schriftsteller auch etwas Komödiantenhaftes eigen. Er ist ein Verwandlungskünstler und lebt sich ln seine aus der Wirklichkeit entnommenen Gestalten hinein. Er durchschaut sie und weiß um ihre Schwächen, was Distanz und Respekt aufhebt, Sinn für Würde und Feierlichkeit nicht auf- kornmen läßt. Wer aber selbst Würde und gesellschaftliche Geltung anderer auf solche Weise infrage stellt, dem wird man den Respekt verweigern.
Allerdings sind die Schriftsteller, so räumt Fontane ein, dabei nicht frei von eigener Schuld. Sie neigen dazu, das Komödiantenhafte übermäßig zu betonen und sozusagen zum Selbstzweck zu erheben, indem sie sich wie „Wilde“ gebärden und sich selber als vermeintliche „freie Genies“ außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stellen. Allein, früher galten solche „freien Genies“ wenigstens noch als etwas Besonderes, wenn auch als bürgerlich fragwürdig. Heute erblickt man in ihnen nur noch dubiose Existenzen, von deren Talent und Können man angesichts ihres Verhaltens so wenig überzeugt ist, daß sich die Meinung weit verbreitet hat, Schriftsteller könne schließlich jeder werden, dazu bedürfe es keiner besonderen Fähigkeiten.
Leider unterstützen manche Schriftsteller diese Meinung, indem sie wenig Anforderungen an sich selbst und ihre Kunst stellen, sich dem seichten Publikumsgeschmack anbequemen oder nur danach streben, möglichst schnell recht viel Geld zu verdienen. Aber nicht nur. daß es vielen Schriftstellern an Selbstachtung feJ-.lt. sie setzen sich gegenüber der Öffentlichkeit auch dadurch in ein ungünstiges Licht, daß viele das nötige Standesbewußtsein vermissen lassen. Ihr Verhältnis zu Kollegen wird von Neid und Mißgunst beherrscht.
Wenn Fontane dieses sehr kritische, Ja, teilweise etwas skeptische Bild von der gesellschaftlichen Stellung des Schriftstellers entwirft, so versäumt er jedoch nicht, wenigstens einige Hinweise auf eine — nach seiner Meinung — mögliche Entwicklung zum Besseren zu geben.
Daß staatliche Forderung der Schriftsteller von Preußen-Deutschland ernstlich nicht zu erwarten war und daß staatliche „Approbation“ nicht das richtige Mittel sein konnte, wird ihm. auch wenn er sie gelegentlich vorgeschlagen bzw. gefordert hat. wohl klar gewesen sein. Er meinte jedoch, daß sich die Lage des Schriftstellers insofern bessere, als der Unterschied zwischen dem „unwürdigen Schriftsteller und dem offiziell anerkannten Würdenträger geringer werde. Denn die Feierlichkeitallüren kämen außer Kurs. Das könnte dazu beitragen, die Gegensätze zwischen der Gesellschaft und dem Schriftsteller wenn nicht zu beseitigen, so doch zu mildern. Und schließlich war Fontane überzeugt, die Zeit der von den Verhältnissen erzwungenen Selbstisolierung des Schriftstellers, die Zeit des Dachstubenpoeten, sei vorüber. Der Schriftsteller sei nun nicht mehr - wie früher oftmals — ein weltfremder Träumer, sondern, wie gesagt, Kritiker.
Das sind, auf das Wesentliche beschränkt, die Überlegungen, die der späte Fon- •ane angestellt hat. Es kommt hier nicht darauf an zu prüfen, wieweit Fontanes Auffassungen eine Bestätigung in den tatsächlichen Verhältnissen finden und ob der Dicher mit seinen Erklärungen und Begründungen zum Kern der Sache vor-