er Wendungen gebraucht, die auffällige Anklänge an unseren dritten Entwurf auiweisen, sagt er über die Dichter und Künstler: „Es kommt vor, daß hoch- begabte, aber erfolglose Dichter und Künstler nach ihrem Tode den Makel der Armut überwinden und in Tagen, wo sie niemanden mehr anpumpen können, heilig gesprochen werden, bei Lebzeiten indes waren sie ein Schrecknis, kaum ein Gegenstand des Mitleids; man wich ihnen aus, immer ln Angst“. Von Jean Paul berichtet Fontane, er „hatte nie Geld, und wenn er Besuch empfing, wurde mitunter humoristisch gesammelt (o, welch Humor!), um ein paar Krüge Bier holen zu können“. Fontane zieht dann dieses Fazit: „Dichter sind gut, wenn sie eingebunden vor einem stehn, solange sie im Bettlermantel schmuddlig, hungrig und dünkelhaft vor einem herstolzieren, können sie mit Heinrich dem Reichen von Arnstorf [Heinrich Richter, Besitzer einer Papierfabrik ln Arnsdorf ln Schlesien. J. K.] nicht konkurrieren. Und wenn 1 c h so denke, der ich vor dem goldnen Kalb nie getanzt habe, wie erst die andern!“ (Th. Fontane: Briefe an Georg Fried- laender. Hrsg, und erläutert von Kurt Schreinert. Heidelberg 1DM, S. 175 f.). Auch das sind offenbar Sätze, die cum grano salls verstanden sein wollen. Allein was in einem Brief erlaubt und obendrein reizvoll Ist, paßt nicht unbedingt in einen für den Druck bestimmten Aufsatz.
Fontane wird — viertens — umso weniger Neigung verspürt haben, sich Vorwürfen auszusetzen, als seine - eben teilweise den Eingebungen des Augenblicks entstammenden — Klagen, Jedenfalls wenn man sie wörtlich nahm, nicht ln allen Punkten seinen eignen Überzeugungen entsprachen und z. T. ln seinen derzeitigen persönlichen Verhältnissen nicht mehr ausreichend begründet waren.
Unbestreitbar hat Fontane die Tatsache, daß er bei seinen Zeitgenossen nur einen relativ geringen Widerhall fand, gelegentlich schmerzlich berührt. Die „begeisterte Zustimmung der Mitlebenden oder wenigstens eines bestimmten Kreises der Mitlebenden“, ohne die man in der Kunst „nicht bestehn“ kann (an Emilie am 23. 8. 1882; Fa II, 19; Br II, 77), erfuhr er nicht im erwarteten und berechtigten Maße. So stellte er beim Empfang des Schiller-Preises 1891 im Tagebuch enttäuscht fest: „Mit der Ehre ist es so; im Publikum sind einige (auch nicht viele), die’s mir gönnen, unter den Kollegen eigentlich keiner" (SL 272). Solche resignierenden Betrachtungen, für die hier nur ein Beispiel angeführt worden ist (vgl. auch Anmerkung 36), lassen den Schluß zu, daß es Fontane Ernst war, wenn er sich über die mangelhafte Beachtung beklagte, die dem Schriftsteller zuteil wurde. Was aber die Armut und das „Hungertum“ der Schriftsteller betraf, so mochten ihn-, zwar die schweren und kärglichen frühen Jahre seiner Laufbahn als Schriftsteller Grund genug zur Klage geben. Nicht ohne Recht beteuert er insofern, er selbst sei „einer“ von denen, die nichts haben. Manche Briefstelle läßt erkennen, wie mühsam er sich „durchwinden“ mußte. Ja, noch am 14 . 7. 1875 gesteht er seinem Verleger Wilhelm Hertz: „Von all dem Bitteren, was darin liegt, mit fünfundfünfzig Jahren unter Ach und Krach eine kümmerliche Jahreseinnahme zusammenzuschreiben, will ich nicht sprechen (Fr I, 358). Aber für den alten Fontane der neunziger Jahre konnte Gleiches wohl nicht gut gelten. Von seiner eigenen damaligen persönlichen Situation her mußte ihm das, was er in den „Dichteraspirationen“ geschrieben hatte, als nicht mehr berechtigt erscheinen, sosehr es auch auf viele seiner Kollegen zutreRen mochte.
Darüber hinaus aber konnten seine Worte mißdeutet und so aufgefaßt werden, als stehe für ihn die Geldfrage im Vordergrund. Das konnte Fontane, der, wie er selbst in dem eben erwähnten Brief an Friedlaender sagt, „vor dem goldnen Kalb nie getanzt“ hatte, nicht wünschen. Es hätte seiner Überzeugung widersprochen. Denn gewiß ist die in demselben Brief abgegebene Versicherung ln ihrem Kern wahr: „Ich bin glücklich in meiner Armut, weil ich nicht das Bedürfnis habe, in Front zu stehn und eine Rolle zu spielen“ (Th. F.: Briefe an G. Friedlaender,
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