a. a. O., S. 176), wenn auch die „Armut“ nur als relativ zu verstehen Ist (es war zuvor von dem reichen Fabrikanten die Rede). An der Richtigkeit dieser Feststellung ändern auch gelegentliche Widersprüche in Fontanes Äußerungen kaum etwas. Indes aus den „Dichteraspirationen“ hätte man sehr wohl eine durchaus gegenteilige Haltung herauslesen können.
Auch diese Gesichtspunkte werden Fontane in dem Entschluß bestärkt haben, den Entwurf beiseite zu legen.
Gotthard Erler (Berlin)
Fontane und Hauptmann
Als sich Gerhart Hauptmann 1938 mit der Fortsetzung seiner Lebensgeschichte beschäftigte — er hatte sie im „Abenteuer meiner Jugend“ ('937) nur bis zum Sommer 1889 verfolgt —, da gedachte er in einem eigenen Kapitel auch Theodor Fontanes (und genau besehen, ist dieser Abschnitt das Interessanteste und Stichhaltigste in den zwiespältigen, vielfach bedenklich retuschierenden Aufzeichnungen, die 1966 unter dem Titel „Das zweite Vierteljahrhundert“ aus dem Nachlaß veröffentlicht wurden). Hauptmann erinnerte sich der „warmen, geradezu väterlichen Teilnahme“, mit der Fontane zwischen 1889 und 1898 sein dramatisches Schaffen von „Vor Sonnenaufgang“ bis zur „Versunkenen Glocke“ begleitet habe. Der alte Hauptmann war sehr von seiner Singularität überzeugt, er fühlte sich nicht leicht jemandem verpflichtet, und so will es schon etwas besagen, wenn er Fontane dankbar seinen „höchsten Protektor“ nannte. „Ich hatte Ursache anzunehmen, der alte Herr möge mich persönlich gern. Man sah ihn übrigens täglich im Tiergarten, den kleinen bunten Wollplaid locker über die Schultern genommen, auf die das graue Haar strähnig herunterflel. Ein dichter Schnurrbart und Kinnbart verdarb nichts an diesem schönen, klug-sympathischen Dichterkopf.“
Tatsächlich, der „alte Herr“ in der Potsdamer Straße mochte ihn gern. Er hatte schon in der Besprechung von „Vor Sonnenaufgang“ im Oktober 1889 mit sichtlichem Wohlgefallen von dem „schlank aufgeschossenen jungen blonden Herrn“ geschrieben, der sich mit „untadligsten Manieren“ und mit einer „graziösen Anspruchslosigkeit“ auf der Bühne verbeugt habe. Später sprach er von dem „liebenswürdigen Dichter, der mal wirklich einer ist und ein Mensch dazu“ (an Brahm, 27. September 1894), und noch am 19. März 1895 bemerkte er in einem Brief an Friedlaender. „Es ist wahr, es gibt überhaupt wenige nette Dichter, aber sie kommen doch am Ende vor und beweisen einem, daß Talent, Hochflug und Reichtum an Herz und Seele mit Bescheidenheit gepaart sein können. Ein glänzendes Beispiel ist Gerhart Hauptmann.“ Ein erstaunliches Kompliment, wenn man bedenkt, welch gegensätzliche Naturen sich da begegneten und wie anspruchsvoll Fontane in der Wahl seiner Bekannten zu sein pflegte.
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