Heft 
(1972) 14
Seite
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Ihr Dichter wird vielleicht ein Leben lang warten können, eh ihm und noch dazu von einem auf dem Aussterbe-Etat stehenden alten Herrn je wieder so viel und so unbedingt Anerkennendes (was zu tadeln ist, verschwindet) gesagt werden wird. Denn nichts ist seltner als eine Kritik, die nicht mit der Linken wieder nimmt, was sie mit der Rechten gab. G. Hauptmann kann auch im weiteren auf mich zählen, und ich will, wenn er es wünscht, sein Stück an Brahm empfehlen. Hilft es vielleicht oder wahrscheinlich auch nichts, so kommt es doch in einem tonangebenden Kreise ernsthaft zur Sprache. Nur eins noch: wenn G. Hauptmann, was ich nicht wissen kann, nach diesem meinem Briefe Lust haben sollte, sich mit mir persönlich in Verbindung zu setzen, so bitte ich Sie dringend, dies zu hindern. Ich verfolge aus meinem hoch gelegenen Turmnest alles sehr aufmerksam und sehr liebevoll und gedenke, solang es irgend geht und die Kräfte reichen, dabei zu ver­harren, aber ich kann aus meinem Turmnest nicht in die Arena nieder­steigen und mich an den Streitigkeiten, Verherrlichungen und Tot­machungen des Tages beteiligen. Und dies ist unausbleiblich, sobald ich zu jenen, denen jetzt der Kampf obliegt, in irgendwelche persönliche Beziehung trete. Ein gelegentlicher Brief, das allenfalls geht.

Hochachtungsvoll ergebenst Th. Fontane

Hauptmann an Fontane

Charlottenburg, 12. September 1889

Hochverehrter Herr.

Für die liebenswürdige, für mich so überaus ehrenvolle Zuschrift, welche Sie an meine Herren Verleger gerichtet haben, spreche ich Ihnen hierdurch meinen aus tiefstem Herzen kommenden Dank aus. Ich habe, wie ich gestehen muß, etwas Derartiges nicht entfernt erwartet, noch auch im allgemeinen mit einer Vorurteilslosigkeit, einem Verständnis gerechnet, wie es mir aus Ihren Worten entgegentritt. Am allerwenigsten aber habe ich geglaubt, daß ich einmal von einem prinzipiellen Gegner der Richtung, welche ich vertrete, ein Lob wie das mir zuteil gewordene einernten würde.

Was könnte geeigneter sein, mich mit Stolz zu erfüllen, als der Umstand, daß das, was ich nicht entfernt erwartete, nun doch eingetreten ist; aber ich verspreche Ihnen, midi mit diesem Stolz nur in Augen­blicken zu wappnen, wo die Erhaltung meiner Individualität es erfordert; in Augenblicken des Kleinmuts, verursacht durch das, was mir nun bevorsteht: die große Entwürdigung oder das große Schweigen der logen. Kritik.

Wenn Sie, wie Sie in Aussicht stellten, mein Drama an Otto Brahm empfehlen wollten, so kann es ja gar nicht anders sein, als daß mir dadurch ein großer Dienst erwiesen ist. Die Phrase von der Dankbarkeit will mir nicht aus der Feder, deshalb weiß ich nicht einmal, ob ich Sie

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