um diesen großen Dienst bitten soll oder nicht. Ich könnte ihn getrost erbitten, wenn ich genau wüßte, daß meiner Arbeit der Wert innewohnt, den sie in Ihren Augen hat.
Mit aufrichtiger Verehrung Gerhart Hauptmann
Fontane an Hauptmann
Berlin, 12. September 1889 Potsdamer Straße 134 c
Hochgeehrter Herr.
Ergebensten Dank für Ihre freundlichen Zeilen. Ich habe gleich an Brahm geschrieben, der mir, als Direkteur der „Freien Bühne“, der Mann der Situation zu sein scheint. Vielleicht ist ihm, seitens der Verlagshandlung, das Drama schon zugegangen, wo nicht, so veranlassen Sie's wohl. Von meinem Exemplar wollte ich midi nicht gerne trennen.
Und nun noch eins. Sie sprechen an einer Stelle von einem „prinzipiellen Gegner“. Haben Sie’s aufs Politische bezogen, so ist das halb richtig, aber doch auch nur halb, haben Sie’s auf Kunstrichtung bezogen, so trifft das Gegenteil zu. Die realistische Schule hat nicht einzig und allein recht, aber sie hat so gut recht wie die ihr entgegengesetz[t]e. Daß ich dem Lebens- und Wahrheitsvollen, dem Phrasenlosen und Ungeschminkten in der Kunst, dem Mut der Meinung und des Ausdrucks so zugetan bin, das ist es, was mich in Ihrer Arbeit über das Sozialpolitische ganz hinwegsehen läßt. Vielleicht könnte ich dies nicht, wenn Ihr Stück in dem altherkömmlichen Sinne ein „Tendenzstück“ wäre, wo einem ein beliebiger, meist sehr lederner und sehr anfechtbarer Satz aufs Brot gestrichen wurde, aber solches Tendenzstück ist Ihr Stück nicht, auch dann noch nicht, wenn Sie’s selbst dafür ausgeben. Das kommt sehr oft im literarischen Leben vor, daß die eingebome Kunst des Künstlers mächtiger ist als der Wille des Künstlers, die Natur siegt über Plan und Dogma. Als Gottfr. Keller kathol. Legenden ridikülisieren wollte, schrieb er, im Gegensatz zu sich selbst, eine Reihe schönster katholischer Legenden. Ihr Stück mag in Ihren Augen vor allem ein soziales Drama sein, in meinen Augen ist es ein Drama, ein Stück Leben, und das bedeutet mehr.
In vorzügl. Ergebenheit Th. Fontane
Fontane an Hauptmann
Hochgeehrter Herr.
Berlin, 13. September 1889 Potsdamer Straße 134 c
Schönsten Dank. Ich verreise morgen auf 8 Tage (aufs Land, aber in kein Kohlen- und Schnapsrevier, vielmehr unter sehr altmodische, gute, brave Edelleute), bin also eine Woche lang aus der Welt. Und da beeile ich mich denn, Ihnen, noch kurz vor Aufbruch, die Worte mitzuteilen, die mir Brahm eben geschrieben.
»• • • Ich hin ganz und gar, in allem und jedem, Ihrer Meinung, sowohl als Mensch schlechthin wie als ,Freter-Bühnen‘-Mensch. Eine
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