gung zu den „Jean-Paulschen Abstraktionen“'“ 1 , zu den ,luftigen‘ Gestalten Goethes, zu Geschöpfen, die „nicht Fisch, nicht Vogel “' 0 sind; er urteilt geringschätzig über die poetischen Wesen im .Wilhelm Meister', vornehmlich über diejenigen männlichen Geschlechts: „sie haben etwas Schemenhaftes, sind Begriffe, die Rock und Hose tragen“' 1 ; er spricht abfällig von den in bloße Sprachrohre des Zeitgeistes verwandelten makellosen Figuren Schillers' 2 . Die „Welt fängt an dar bloßen Vorzüglichkeit satt zu werden und sehnt sich nach Menschlichkeiten, wohin auch Schwächen und Ridikülismen gehören“, heißt es in Fontanes Briefwechsel mit Fried laender“ 1 . Das Zeitalter das Schönrednerischen ist vorüber, und die rosanfarbene Behandlung schädigt nur den, dem sie zuteil wird. Frei weg!“ liest man an anderer Stelle 7 '' 1 .
Die Geschöpfe des Realisten Fontane sind aus dem Leben in die Literatur übernommen. Es sind individuell profilierte Gestalten, die Elemente der Realität in sich tragen und wesentlicher Bestandteil der Erzählwelt sind. Diese Darstellungsweise verbindet Fontane mit Maler Menzel. Gleich ihm gehört er im Deutschland seiner Zeit zu den bedeutendsten Vertretern einer Wirklichkeitsauffassung, die den schönen Schein schattenhafter Figurenkonzeption „außer Kraft gesetzt “ 77 und statt dessen die Plastizität der poetischen Gestalten proklamiert haben, das heißt — mit Lukäcs glücklicher Formulierung 70 — „das Herumgehen- Können um die Gestalt, das selbständige Leben der Menschen und der Beziehungen zwischen ihnen“.
Eines der Mittel, mit dem Fontane die Lebensnähe seiner Gestalten erreicht hat, bestand darin, daß er sich in das Wesen jeder einzelnen Figur einzufühlen bemühte. Er sah die Meisterschaft eines Dichters darin, „daß er in seinem Gebilde a u f g e h t. Um dies zu können, muß er zuerst in demselben untergehen.“" Aus dieser Auffassung ist seine kritische Stellungnahme zu Tintoretto zu verstehen 78 : „Das Kompositionstalent, die Gabe zu gruppieren, Klarheit in die Massen zu bringen, ist außerordentlich; aber der Mangel an aller Innerlichkeit ist geradezu erschreckend.“ Fontane erkannte zwar in dem „scharfen Sehen der Dinge die Wurzel aller künstlerischen Darstellung“; doch reicht — mit seinen Worten 79 — „diese künstlerische Naturanlage [...] nicht aus für die Schöpfung einer vollkommenen Erzählung. Es muß eben noch zweierlei hin/.ukommen: dem Dichter muß sich die verborgene Welt des Herzens so gut erschließen wie das, was am Wege liegt, und nachdem sich ihm Äußeres und Inneres gleichmäßig erschlossen hat, muß er aus der Fülle des ihm in Teilen und Teilchen Überlieferten, eine neue Welt zu bilden verstehen. Mit anderen Worten, er muß aufs Einzelne hin an- gesenen Charaktere schaffen und aufs Ganze hin angesehen komponiren können.“
Vor allem das Sich-Einleben mit seinen Figuren war Fontane (wie anderen Realisten* 1 ) eine Sache von größtem Wert. „[...] lebe mich mit meinen Figuren, mit ihrer Erscheinung und ihrem Charakter ein. Dies ist sehr wichtig und kommt später einem zugute“, schreibt er im August 1878 , als ihn seine historische Novelle ,Grete Minde' beschäftigt 81 . In seinen Betrachtungen über ,Die gesellschaftliche Stellung des Schrift-
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