Heft 
(1972) 14
Seite
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wundersame Intuition, die einem Poeten die Anschauung der Wirklichkeit entbehrlich macht. (Englische Fragmente, Vorrede)

Alexis heiratete eine Engländerin und besaß einige Kenntnisse der englischen Sprache. Fontane verbrachte vom Jahre 1855 ab Monate und Jahre in England und Schottland und konnte diese Länder aus eigner Erfahrung beschreiben. Er schrieb einen Aufsatz über James Monmouth, der als historsiche Gestalt in Schloß Avalon erscheint. Fontane erbte von seinem Vater ein dauerndes und starkes Interesse an der Geschichte, besonders der Geschichte der Mark Brandenburg. Alexis schrieb vor 1823 seine erste branden burgische Geschichte Die Schlacht bei Torgau, eine Vorstudie zum Zyklus preußisch-geschichtlicher Romane, die 183256 erschienen. 1861 veröffentlichte Fontane den ersten Band seiner Wande­rungen durch die Mark Brandenburg, die eine wichtige Quelle für Episoden in seinen Romanen wurden, besonders für den ersten, Vor dem Sturm (1878). Eine Besprechung dieses Romans erhielt den Titel ,Ein moderner Wilibald Alexis*. Alexis schrieb Reiseskizzen mit seinen Eindrücken von Frankreich, Skandinavien, Süddeutschland und Wien, auch einen Aufsatz ,Das Slaventum in der Mark * (1838) 11 . In den vierziger Jahren brachte er seine Erinnerungen an seine Kindheit, seine Jugend in Berlin und seine Erfahrungen als Freiwilliger im Feldzug gegen Napoleon, ,die Hundert Tage*, heraus. Fontanesche Parallelen sind die Bände der Wanderungen, Kindheitserinnerungen und eine Beschreibung von Fontanes Erlebnissen als Kriegsgefangener er war Journalist im französisch-preußischen Krieg von 1870. Beide Schriftsteller spielten eine führende Rolle in den literarischen Gesellschaften Berlins, Alexis als Sekretär und gründendes Mitglied der Mittwochgesellschaft. besonders 182430, Fontane als Mitglied des Tunnels über der Spree, besonders 184459. Beide wurden schließlich freie Schriftsteller, Journalisten, Kri­tiker, Dichter und Romanschriftsteller. Mit 26 Jahren gab Alexis seine juristische Laufbahn (als Referendar) auf, aber sein brennendes Inter­esse an der Psychologie des Verbrechers beeinflußte die Charakterisierung einiger seiner Gestalten, z. B. Wandel und Ursinus in Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, die auf historische Verbrechergestalten gegründet waren. 1842 wurde er Herausgeber einer Reihe berühmter oder seltsamer Rechts­fälle, Der neue Pitaval 11 . Die Reihe erschien bis in die neunziger Jahre und fand eine eifrige Leserschraft, darunter auch Schriftsteller. Vielleicht von Alexis Beispiel beeinflußt, aber auch der Gefahr bewußt, daß Ver­brecherpsychologie den reinen Born der dichterischen Phantasie vergiften könnte, schrieb Fontane vier Kriminalgeschichten, Grete Minde, Ellern- klipp, Quitt und Unterm Birnbaum, die letztere ein Meisterwerk dieser Gattung 13 . Was das Theater betrifft, so war Alexis selbst Dramatiker, zwar ohne großen Erfolg. Fontane wurde Theaterkritiker der Vossischen Zeitung und schrieb viele Besprechungen der wichtigsten Dramen, die in Berlin aufgeführt wurden. Alexis besuchte Italien 1847, Fontane 1874. In seinen Romanen des zeitgenössischen Lebens in Berlin vollbrachte Fontane seine größte dichterische Leistung. Alexis viel bescheidenerer Beitrag zur Schilderung des zeitgenössischen Lebens in Berlin und Preußen fiel besonders in die dreißiger Jahre. In den Romanen Das

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