Heft 
(1972) 15
Seite
459
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an der Zeitung überein. 2. Die unter ss Berlin erschienenen Artikel befassen sich vorwiegend mit Berichten über die jährlich im November beginnenden Verhandlungen der I. und II. Kammer in Berlin; dies aber hatte Fontane in seinem weiter oben zitierten Brief vom 22. XI. 1850 der Firma angeboten. Da Nr. 5 nicht von Fontanes Hand stammt, fehlt jedoch der unumstößliche Beweis, daß er der Verfasser der Berlin - Korrespondenzen gewesen ist. Der nachfolgende Abdruck der Korrespon­denz vom 16. November 1852, die mit ihrer entschiedenen Meinungs­äußerung aus der Gesamtheit der^Berlin-Artikel herausragt, gibt die Möglichkeit, durch Stil- und Inhaltsanalysen Fontanes Autorschaft zu erhärten oder zu verwerfen. Die hier erstmals an Hand der bislang unveröffentlichten Briefe Fontanes an Brockhaus dargelegte Tatsache, daß Fontane in den Jahren 1852/53 Mitarbeiter derDeutschen Allgemei­nen Zeitung gewesen ist, bereichert in jedem Fall die Biographie unseres Dichters und erklärt auch seinen Ende November 1859 erneut über Wolfsohn unternommenen Versuch,an Brockhaus heranzukommen (Wolters, S. 121).

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Deutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 423 vom 19. November 1852 ^ Berlin, 16. Nov. Keine Frage, daß unter den Gegnern der Regierung den Männern der Kreuzzeitung der erste Rang gebührt. Sie sind in der Tat eine Macht, aber wie wunderbar das den privilegierten Trägern des Konservatismus klingen mag ihre ganze Macht ist rein negativer Natur; sie gleichen hierin völlig ihren Antipoden auf der äußersten Linken. Die Schwäche dieser Partei würde sofort ans Licht treten, wenn dieselbe jemals berufen werden sollte, eine schöpferische Tätigkeit zu beginnen. Ihre Macht ist eine rein zufällige: Mut, hervorragendes Talent und begünstigte Stellung einzelner Persönlichkeiten haben ihr (die Gewichtigkeit ihrer Gegnerschaft vorweg zugegeben) den Schein wirk­lichen Könnens verliehen, aber auch nur den Schein. Eine wahre Macht ist immer nur diejenige, die sich auf die vorhandenen großen Kräfte einer Nation stützen oder, noch besser, mit ihnen zu identifizieren ver­mag. In solchem Sinne hatten wir Kräfte zu Beginn dieses Jahrhunderts: Fichte, Stein, Görres, Körner war solche Kraft und selbst Herwegh. Auf welche Kräfte im Volke, so frage ich jetzt, stützt sich die Partei des Herrn von Gerlach? Ist dieser biegsam-geschmeidige Stahl unserer Tage ein Stein gleich jenem Stein? Nein, und nochmals nein! Und doch, auf der andern Seite wieder, was wäre die ganze rostzerfressene Partei ohne die Schärfe dieses Stahls, ohne die geistige Potenz eines Mannes, dessen Abstammung wie gesellschaftliche Stellung einen glauben machen könnte, sein ganzes Auftreten sei Marotte oder höchstens doch das inter­essante Experiment eines Doktrinärs. Die Kreuzzeitungspartei ist da, aber sie ist ein Anachronismus und ein doppelter und dreifacher in unserm Lande. Mag unser parlamentarisches Leben noch in den Kinder­schuhen stecken, mag unsere Vielregiererei samt ihrem unliebenswür­digsten Sohne: der Polizei, das Achselzucken aller derer nach sich ziehen,