Heft 
(1972) 15
Seite
468
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innerhalb der realistischen Kunst die schönsten und wichtigsten sind, durch Klarheit und Schlichtheit. Kein Wort zu viel und keins zu wenig. Unter Wiederholung meines Danks, in vorzüglicher Ergebenheit

Th. Fontane

Berlin 24. 5. 87

Potsd. Str. 134.C.

Hochgeehrter Herr Professor.

Ich schulde Ihnen noch meinen Dank für dasKlaverblad van Balladen, das Ihre Güte mir zugehen ließ 13 . Im ersten Augenblicke scheint es mir immer unmöglich, mich drin zurecht zu finden, aber nach drei vier­maliger Durchsicht lese ich es ohne alle Schwierigkeit und entdecke Sinn und Bedeutung selbst der Worte, die einen anfänglich und das schafft dann immer die größte Schwierigkeit in die Irre führten. So z. B. das Wort zakken. Wir haben dasselbe Wort mit der Bedeutung von Ast oder Zweig und da dauert es dann lange, bis man heraus hat, daß esSäcke sind. Wenn ich mir, als ein Veteran auf diesem Gebiet, ein Urtheil erlauben darf, so gebe ichZanneken Craeynest sehr erheblich den Vorzug vor diesen 3 Balladen 14 . Ich bitte, das auch motivieren zu dürfen. Alles was wir schreiben, und ganz speziell auf diesem Gebiete, schreiben wir unter Anlehnung an Längstvorhandenes, unter Umständen geradezu unter Nachbildung desselben. Das ist nicht blos unser Recht, das ist sogar unsre Pflicht. Aber bei diesem Anlehnen und Nachbilden ist, nach der Art und Beschaffenheit dessen, was man nachbildet, doch ein Unter­schied. In Bezug auf die kleine poetische Erzählung hat sich eine mit seinen letzten Fasern vielleicht in Homer wurzelnde Norm herausgebildet, eine Klarheits- und Simplicitätssprache, die nicht mehr zu übertreffen ist; man wechselt (aber auch nur innerhalb eines engen Kreises) die Stoffe, die Behandlungsweise aber, wenn man sich nicht selber schädigen will, muß dieselbe bleiben. Es giebt eben nur ein Bestes und es bleibt uns nichts andres übrig, als, ihn nacheifernd, es nachzubilden. Thompson, Crabbe, Tennyson, Klaus Groth und andre Plattdeutsche, wo sie ihr Bestes gaben, sind sie sich untereinander sehr ähnlich. Es muß so sein. Und dahin gehört auch IhrZanneken Craeynest.

Sehr anders aber liegt es auf dem Gebiete der eigentlichen Ballade. Hier ist die Norm noch keineswegs gefunden, hier gibt es viele Wege, die nach Rom führen, hier ist die Möglichkeit immer neuer und besserer Gestaltungen nicht ausgeschlossen. Und hier, auf diesem Gebiete, sich ein für allemal an die germanische Volksballade anschließen, diese die nur sehr stück- und bedingungsweise als Norm gelten kann zur Norm erheben zu wollen, halte ich nicht für richtig. Ich halte es nicht für richtig bei Ihnen und halte es nicht für richtig bei Dahn. Aus der Volksballade sollen wir das lernen, was daraus zu lernen ist: Compo- sition bei scheinbarer Compositionslosigkeit, Kunst der Andeutungen, der Fortlassungen, der Sprünge, Kunst der Wiederholungen, der Refrains, der Leitmotive, Kunst mit den kleinsten Mitteln zu wirken, Schlichtheit der Sprache, vor allem Ton all das und vielleicht viel andres noch sollen wir aus der Volksballade lernen, aber wir sollen sie nicht einfach nachbilden, nicht nachbilden in der Art, wie ich ohne weiteres Klaus GrothsHeister Kroog oder IhrZanneken Craeynest nachbilden würde, wenn ich verwandte Stoffe, will sagen Deskriptives mit ein­gelegter kleiner Geschichte, behandeln wollte. Die Ballade hat noch nicht abgeschlossen und wir dürfen uns nicht an ein Bestimmtes festnageln, dürfen nicht eine bestimmte Form, die noch dazu, neben ihren großen