Friedrich Stephany wenden werde. Ich würde es brieflich von hier aus thun, er ist aber auf Urlaub und ich weiß nicht, wo er sich zur Zeit aufhält. Stephany geht meist freundlich auf meine Vorschläge ein und wird diesmal wahrscheinlich keine Ausnahme machen, wenn er überhaupt in der Lage ist „ja“ sagen zu können. Ob dies der Fall ist, das ist die Frage. Die Zeitung hat einen Amsterdamer und einen Brüsseler Korrespondenten und der eine oder andere dieser beiden (ich bin nicht sicher welcher) behandelt öfter die „vlämische Bewegung“. Da steckt die Schwierigkeit; mais nous verrons. Eine liebenswürdige Besprechung aus Ihrer Feder erhielt ich im Januar oder Februar d. J., worauf ich dankend gleich an Sie schrieb, auch ein Buch schickte. Vielleicht ist beides Ihnen nicht zu Händen gekommen. In vorzügl. Ergebenheit
Th. Fontane
Auffällig ist die Achtung und sogar Bewunderung, die Fontane dem Kritiker Pol de Mont zollt. Dem Urteil des flämischen Dichters mißt er großen Wert bei. Die Frage, ob seine Werke bei diesem Anklang finden werden, läßt ihn nicht gleichgültig. Kurz nach Erscheinen der dritten Auflage seiner Gedichte schickt Fontane ihm beispielsweise eilends ein Exemplar zur Rezension zu 23 .
Obgleich Fontane Schwierigkeiten hatte, die niederländische Sprache zu verstehen, schätzt er Pol de Mont auch als Dichter. Auf dessen Begabung für die „poetische Situationsmalerei“ weist er wiederholt hin 24 . Die hervorragendste Eigenschaft de Monts sei es jedoch, immer den passenden Ton zu treffen 25 .
Bei der Bewunderung für die Fähigkeiten seines Freundes wiegt allerdings die Kritik Fontanes an dessen Balladen umso schwerer. Aus den Briefen läßt sich entnehmen, daß der flämische Dichter nach Fontanes Ansicht nicht fähig ist, selbst etwas Wesentliches in Balladenform zu bringen. Der märkische Dichter weiß aber seine harte Kritik in milde Formen zu kleiden; über diese literarische Kunstform hat er sehr genaue Vorstellungen, die er de Mont entgegenhält. Wohl dürfe die moderne Ballade an die alte Volksballade anknüpfen, jedoch sei mit einer „Anlehnung“ an bereits Bestehendes oder an dessen „Nachbildung“ den Ansprüchen dieser Gattung noch lange nicht Genüge getan 26 . Den Balladen de Monts fehle etwas Wesentliches („die Hauptsache“, „das Essentielle“), nämlich das künstlerische Engagement des Dichters 27 . Gerade im Persönlichen, im „Neuen“ liegen für Fontane „der Fortschritt, die Weiterentwicklung“ 28 . In der Ballade will der märkische Dichter also keine starre, ein für allemal festgelegte Kunstform sehen. Dies bewies er selber durch seine Ansätze zur Erneuerung dieser Gattung, indem er in den achtziger Jahren deren Stoffgebiet auf Themen aus der unmittelbaren Vergangenheit ausdehnte.
Im bereits erwähnten kritischen Beitrag äußert sich Pol de Mont hingegen begeistert zu Fontanes dichterischem Werk. Er erkennt klar, was sein Freund ihm voraus hat, und lobt dies über alle Maßen. Fontane sei „kein sklavischer Nachahmer“ der Volksballade des Mittelalters. „Alles, was der moderne Dichter darin und daraus lernen“ könne, habe er aus der Volksballade geschöpft 29 . Dann bezieht sich de Mont auf den Brief vom 24. Mai 1887, in dem die bleibenden Eigenschaften der Ballade
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