Heft 
(1972) 15
Seite
473
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genannt werden, und er bemerkt dazu, Fontane habe der Volksdichtung einiges entnommen, er habe jedochjeweils dem anderswo Entlehnten so viel von seiner eigenen Originalität hinzugefügt, daß es zu einer neuen, eigenständigen Schöpfung gekommen sei 30 . Als typisches Beispiel zieht Pol de Mont die BalladeHarald Harfager heran, die er voll­ständig zitiert.

Daran anknüpfend, beantwortet Pol de Mont die im Brief vom 17. De­zember 1889 gestellte Frage, ob er mit der Ausdehnung des Stoffbereichs auf dieTageschronik oder das neueste Zeitungsblatt einverstanden sei. Es seiein höchst glücklicher Gedanken, den Horizont der Balladen­dichtung durch das Beifügen von Themen aus dem 19. Jahrhundert zu erweitern. Wohl könne die Ballade dabeieine ihrer größten Anzie­hungskräfte, das Geheimnisvolle verlieren, dem sei aber durchdie größere Elastizität der formalen Mittel abzuhelfen 31 . Eben dies sei Fontane vollkommen gelungen. Um seine Antwort zu rechtfertigen, führt Pol de Mont ein weiteres Gedicht an, diesmalHerr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Der Briefwechsel und der Beitrag zeugen also von der Bewunderung des flämischen Dichters nicht nur für Fontanes Kunst, die über jeden Zweifel erhaben sei, sondern auch für dessen kritisches Urteil. Im Kommentar de Monts findet sich aber auch die Erkenntnis der eigenen Unfähigkeit, der Ballade einen persönlichen Akzent zu geben. Darüber hinaus ist klar zu erkennen, daß auch de Monts Theorie der Ballade dasEssen­tielle völlig fehlt: in seinem kritischen Beitrag äußert er keine per­sönlichen Ansichten; er begnügt sich einfach damit, gerade die Ideen und Vorstellungen unverändert wiederzugeben, die ihm durch Fontane ver­mittelt wurden!

Anmerkungen

1 Briefe an die Tochter Martha (Mete) Fontane

a) Datiert 22. Mai 1889:Die 5 Ländchen im Havelland heißen: Friesack, Bellin, Glin, Rhinow und Nußwinkel für künftige feine Tisch-Unterhaltungen fast so fein wie Pol de Mont, doch ist letztrer noch um einen Grad feiner und ich hätte Dich wohl über ihn peroriren hören mögen. So kommt einem alles mal zu Nutz. Übrigens weiß ich nicht ob er Mont oder Monts heißt.

b) Datiert 17. Februar 1891:Gestern erhielt ich eine lange Kritik von meinem vlämischen Freunde Pol de Mont über meine ,Gedichte*. Ich schicke sie Dir morgen, denn es amüsiert einen sich in das Vlämische hineinzulesen; zuletzt versteht man es ganz gut.

2 ZeitschriftEuropäische Literatur 1942. Jahrgang 1 / Heft 5. S. 9.

3 Diese Briefe wurden in denFontaneblättern« angezeigt: Band 2. Heft 1. S. 55.

4 Pol de Mont:Theodor Fontane. In: Pol de Mont,Een bundel letterkundige opstellen Gent 1914. S. 186-206. Dieser Artikel erschien bereits 1891 in der flämischen ZeitschriftDe Toekomst.

5 Diese Tatsache hat mir Herr Joachim Schobeß erzählt.

6 Pol de Mont hat etwa 15 Gedichtsammlungen veröffentlicht. Zu den bekann­testen gehörenLentesotternijen (1881),Fladderende Vlinders (1885),Clari- bella (1893),Iris undDichterlente (1917).

7 Besonders bekannt sind:Losse schetsen uit de letterkundige geschiedenis van onzen tijd (1889-90),Drie groote Vlamingen (1911),Een bundel letter-