8. Das Grab der Mutter
„Verfallene Hügel, die Schwalben ziehn,
Vorüber schlängelt sich der Rhin.
Über weiße Steine, zerbröckelt all,
Blickt der alte Ruppiner Wall.
Die Buchen stehn, die Eichen rauschen,
Die Gräberbüsche Zwiesprach tauschen,
Und Haferfelder weit auf und ab —
Da ist meiner Mutter Grab.“ 34
„Um die Stadt her, zwischen dem Rheinsberger und dem Tempeltor, zieht sich der ... Wall, ein Überrest mittelalterlicher Befestigungen, jetzt eine mit alten Eichen und jungem Nachwuchs dicht bestandene Promenade der Ruppiner.“ 35 Und in Fortsetzung dieses aus dem 14. Jahrhundert stammenden Wall- und Graben-Systems war statt der 4 Friedhöfe, die es vor dem Stadtbrand innerhalb der Mauern gab, nun außerhalb im Jahre 1795 ein Friedhof angelegt worden. 1814 mußte er bereits nach Norden hin vergrößert werden, 1831 ein zweites mal nach Nordwesten. Ursprünglich war er von Birkenreihen umschlossen, seit 1816 von einer Mauer, deren großformatige Ziegel aus abgetragenen Klostergebäuden stammten. Auf diesem Stückchen Erde, das Theodor in dem Kapitel „Am Wall“ so poetisch verklärte (Wie still, wie schön! Du „Park am Wall“, welche beneidenswerte Stätte, darauf zu ruhen;), wollte diei Mutter, obwohl seit Jahren schon an der Wittstocker Allee ein „neuer“ Friedhof eingerichtet war, begraben sein. Hier ruhte sie neben Angehörigen der Familie Gentz, die auch im Leben die Nachbarn ihrer Löwen-Apotheke waren und denen ihr Sohn später den Nachruf (auf einer Metallplatte an der Begräbnisstätte) widmete: „Ungunst und Wechsel der Zeiten zerstörte, was wir geschaffen. Die wir im Leben gekämpft, ruhen im Tode hier aus.“ 36 Hier waren auch die befreundeten Bilderbogen-Kühns in zwei Generationen und die Schwester Schinkels begraben. Auch „Michel Protz“, gestorben im Dezember 1855, fehlte nicht in dem Kreis derer, deren Leben und Wirken, deren Charakter der Dichter in seiner „Grafschaft Ruppin“ später liebevoll oder kritisch zeichnete. Auch Prof. Wiese, Schöpfer des Fontane-Denkmals, ruht seit 1925 hier. — Ein schönes schmiedeeisernes Gitter umgibt den mit einer Steineinfassung versehenen Grabhügel der Mutter (in dem auch 1923 die Asche ihrer Tochter Elise, verheiratete Weber, beigesetzt ist). Auf schlichter Sandsteinplatte sind die Lebensdaten von „Emilie Fontane geb. Labry“ verzeichnet. Liebevoll haben seit Jahren Mitglieder des Kulturbundes und eine Klasse der Fontaneschule (Erweiterte Oberschule) das Grab dieser lebensklugen Mutter gepflegt, die ihren Sohn lehrte, seiner vom Vater geerbten Phantasie zielstrebige Richtung zu geben, ln jüngster Zeit wurde eine Verlegung des Grabes in Erwägung gezogen; denn dem Bau einer im Norden der Stadt dringend benötigten Schule auf einem Teil des Alten Friedhofs 1968/70 soll nun die Errichtung einer Kindergarten-Kinderkrippen-Kombination auf einem Teil des Restes folgen. Erst dem Einspruch des Verfassers dieses Artikels
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