Dem Vater wurde es verwehrt, den Sohn würdig beerdigen zu lassen, auch durfte er als Vater, Mensch und Jurist nicht die erbetene Einsicht in die Prozeßakte nehmen. Eine Einsichtnahme in die an das Stadtgericht Potsdam übersandten Akten dürfe nur erfolgen, wenn keine Aufzeichnungen gemacht werden. Der Vater verzichtete nunmehr und hat nie die Gründe des Urteils erfahren. In der demokratischen Presse wurde der Verdacht eines Justizmordes laut. Doch Max Dortu war nur das erste Opfer des preußischen Militarismus im badischen Aufstande, siebenundzwanzig Erschießungen, vor allem in Rastatt, folgten.
Theodor Fontane spricht von dem „tiefen Mißbehagen und der rührenden Teilnahme“ des Prinzen Wilhelm von Preußen, als er das Urteil angeblich unterschrieb. Wir haben bereits berichtigt, daß General von Hirschfeld die Unterschrift leistete. Von einer „rührenden Teilnahme“ bei Wilhelm von Preußen kann ebenfalls keine Rede sein. Er hatte die „Akte Dortu“ später angefordert und glaubte in seiner vom Klassenstandpunkt geprägten junkerlichen Überheblichkeit in der antikirchlichen Einstellung Max Dortus die Triebfeder seiner Handlungen zu sehen, der er jede moralische Berechtigung absprach.
Dortus Vater starb 1859 in Toulouse; die Mutter vermachte daraufhin der Stadt Potsdam eine größere Summe von 30 000 bis 40 000 Talern für eine „Max-Dortu-Stiftung für arme Handwerksburschen und Gesellen“. Der inzwischen zum König avancierte Wilhelm von Preußen erfuhr von dieser Stiftung und versagte seiner Residenzstadt Potsdam am 19. November 1864 die erforderliche königliche Genehmigung zur Annahme. Das Andenken an den Potsdamer Volks- und Freiheitshelden sollte ausgelöscht werden. Erst unter veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen wurden nach 1945 an seinem Geburtshause eine Gedenktafel angebracht und die bisherige Waisenstraße in Dortustraße umbenannt. Die Mutter Max Dortus ließ ihrem Sohn ein würdiges Denkmal über dem Grabe errichten und vermachte der Stadt Freiburg i. Br. 1000 Gulden zur Erhaltung der Grabstätte. Die Eltern ließen sich testamentarisch nach ihrem Tode an der Seite des geliebten Sohnes beisetzen. Das Grab ist heute noch erhalten und wird aus besonderem Anlaß von der Stadt Freiburg i. Br. mit einem Kranz geschmückt. 14
Uber die Freiheitskämpfer und die Erschießungen von 1849 schrieb kein Geringerer als Friedrich Engels, der mit der Waffe in der Hand am badischen Aufstand teilnahm: „Kein einziger hat gebettelt, kein einziger hat gezittert. Das deutsche Volk wird die Füsilladen und die Kasematten von Rastatt nicht vergessen; es wird die Herren nicht vergessen, die diese Infamien befohlen hatten, aber auch nicht die Verräter, die sie durch Feigheit verschuldeten.. , 15 Mit diesen Worten geißelte Friedrich Engels nicht nur die menschenfeindliche feudale Reaktion, sondern auch die Bourgeoisie, die die bürgerlich-demokratische Revolution 1848/49 gegen ihre eigenen Interessen verriet.
In seinem Alterswerk „Von Zwanzig bis Dreißig“ schildert Theodor Fontane in nachsichtig entschuldigender Art, wie nach der Niederschlagung der Revolution seine kämpferische vormärzliche Anschauung über die Kraft der Volksmassen der resignierenden Ansicht wich, daß
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