Heft 
(1972) 15
Seite
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wieder angefordert; so war es 1970 und 71; und auch für das Jahr 1972 liegen bereits die ersten Termine fest.

Also nichts leichter, als mit Fontane durch die Lande zu reisen? So einfach liegen die Dinge nun wieder nicht. Während die ältere Generation überwiegend mit starkem Echo reagierte, blieb die Jugend zunächst sehr reserviert. Und es waren nicht selten gerade unsere jungen Frauen und Mädchen, die obgleichEffi Briest seit langem auf dem Lehrplan unserer Oberschulen steht mit Einwänden kamen wie diesen:Ist denn Fontane noch aktuell? Oder:Was soll uns Fontane? Es versteht sich von selbst, daß hier mit dem erforderlichen Einfühlungsvermögen an die Arbeit gegangen wurde, wobei an dieser Stelle einzufügen wäre, daß ein Fontane-Abend in einem Dorfclub oder einem Großbetrieb anders aufgebaut sein muß, als beispielsweise in einem städtischen Wohnbezirk, in einer Erweiterten Oberschule oder in einem Club kulturschaffender Menschen.

Aus meiner langjährigen Arbeit mit dem Buch zieht sich immer wieder wie ein roter Faden das meßbare Ergebnis hindurch: ob Hölderlin oder Förster, ob Weerth oder Heine, ob BüchnersWoyzeck oder Herders Stimmen der Völker: man kann alles bringen, auch unseren Arbeitern, auch unseren Genossenschaftsbauern, auch unserer Jugend, wenn man es lebendig, basis- und gegenwartsverbunden mitten in den Raum stellt. Ich hatte vier Themen erarbeitet, die ich variabel einsetzte:

1.Fontane im Blickfeld seiner Balladen. (Rezitationsabend für die Jugend mit verbindendem Prosatext gesprochen unter besonderer Berücksichtigung von Werk, Mensch, Epoche.)

2. Fontane und seine autobiographischen Romane:Meine Kinderjahre undVon Zwanzig bis Dreißig.

3.Der alte Fontane:Wie er zuletzt war, so war er eigentlich. (Literarischer Vortragsabend [Festrede] für die Clubs in den Städten und Kreisstädten.)

4.Fontane und das Frauenproblem seiner Zeit, wobei die Erzählungen Cecile undStine beide in dialektischer Gegenüberstellung textlich vorgetragen und als Ganzes interpretiert wurden.

Alle vier Themen fielen nicht nur auf guten Boden. (Fontane würde seine helle Freude und Genugtuung gehabt haben, hätte er an ihnen teil­nehmen können.)

Das Beglückendste war das spontane Echo, das immer wieder vom vierten Thema zurückkam. Ich hatte es in seiner Spezifik ganz bewußt für die literarischen Frauen-Abende ausgewählt; nicht nur in den Städten, sondern auch in den Frauenbetrieben und einem Teil der ländlichen Dorfclubs, obgleich und gerade hier die erwähnten Einwände während der Vorankündigung des Themas am stärksten zutage getreten waren. Es liegt auf der Hand ,daß Fontanes eigene Einstellung zur Frau, (alle großen Werke Fontanes sind Frauen-Erzählungen) daß seine Ehe mit Emilie Fontane sowie sein Verhältnis zu seiner einzigen Tochter Martha nicht nur am Rande behandelt wurden.

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