Heft 
(1972) 15
Seite
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Seine Auseinandersetzungen mit Arthur Schopenhauer und einigen wört­lich zitierten Passagen aus dem Werk:Parerga und Paralipomena (siehe Anmerkung) wurde als ein wesentlicher Ausgangspunkt und als gleichzeitige Überleitung zuCecile in das Blickfeld gesetzt, wobei sich bei Schopenhauers Texten fast jedes Mal ein laut vernehmbares, mit­unter stürmisches Lachen der anwesenden Frauen und Mädchen in den jeweiligen Raum ergoß: als eindeutige Antwort. Vielleicht sogar war es die beste aller Antworten, die sie geben konnten: aus der Summe all des Neuen resultierend, das sie selber wissend darstellen, um es in ihrem Denken und Tun täglich aufs Neue unter Beweis zu stellen.

Es liegt auf der Hand, daß nach solch einer spontanen Lachpause nun doch auf den Emst der damaligen Situation hingewiesen wurde: auf Arthur Schopenhauer als den nicht zu unterschätzenden Mode-Philo­sophen der damaligen Bourgeoisie, der selbst in seinen Überspitzungen bezeichnend wurde für das Denken und Urteilen breiter Schichten der herrschenden KlassenPreußen-Deutschlands nach 1848 und besonders nach 1871.

Von hier aus den Faden weiterzuknüpfen, über die Stellung der Frau im Hitler-Deutschland bis hin zu den einzelnen Varianten des kapita­listischen Europas, (und nicht nur Europas!) ist dann nur eine weitere Stufe der Darstellung im Zyklus des Ganzen.

Spätestens an dieserNahtstelle beginnt Fontane zuinteressieren, bekommt er für die heutige Generation Farbe, Lebendigkeit, Gegenwart. Es kann nicht Sinn und Aufgabe dieses Beitrages sein, in breiterem Umfang ins Detail zu gehen, obgleich sich viel darüber sagen ließe. Wichtig und bemerkenswert erscheint mir wenn ich solch einen Fontane-Abend überdenkend einzuschätzen suche, daß die Fabel von Cecile wie auch jene vonStine erzählt wird: so einfach wie nur möglich; so vital wie nur möglich; immer und ganzim Dienste Fontanes; immer und ganz in unmittelbarer Nähe seiner Gestalten.

Das Einblenden von Texten bedarf dabei einer besonderenDramatur­gie, von deren Raffung weit mehr abhängt, als hier im einzelnen zum Ausdruck gebracht werden kann. So ist z. B. Kothildes Brief an ihren Bruder v. Leslie-Gordon (Cecile) ein wahres Kernstück Fontanescher Zeit- und Gesellschaftsanalyse, dem jener von St. Arnaud an Cecile geschriebene Brief aus Mentone trotz seiner Kürze in nichts nach­steht.

Schwieriger wird dieseDramaturgie schon beiStine. Denn hier sind die zu lesenden Texte einschließlich der großartigen Milieuschilderun­gen Fontanes nicht nur so verlockend, sondern auch zahlenmäßig so stark, daß es einer intensiven Vorarbeit mit der Stop-Uhr bedarf, um hier das Typische vordergründig zur Wirkung zu bringen.

Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, daß eine 60- bis 70-Minu- tenstunde auch im äußersten Falle nidit überschritten werden darf. Vergessen wir nicht: hier sitzen werktätige Menschen als Hörer und Gesprächspartner, die im täglichen Produktionsablauf in den Betrieben oder in einer Verkaufsstelle, in den Kliniken oder in den Schulen,

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