Heft 
(1972) 15
Seite
506
Einzelbild herunterladen

in den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften oder am Bank-, Post- oder Fahrkartenschalter ihr Bestes zu leisten bereit sind. Alles, was sie zeitlich an einem solchen Abend überfordert, kann nicht nach­haltend, nicht Aufschwung gebend weiterklingen.

Der Erfolg (oder Nicht-Erfolg) eines literarischen Abends von der Quali­tät Fontanes resultiert für den Interpretierenden aus zwei Gegebenheiten: einmal: ob und daß von seiten dieses Publikums, das am nächsten Morgen in aller Frühe zur Schicht geht, noch eine weitere Stunde zwanglos zugegeben wird, in der man sich interessiert über Fontane und sein Werk unterhält. (Denn erst das Wechselgespräch rückt einen solchen Abend in das richtige Licht.) Zum anderen: ob man zu der resümierenden Feststellung gelangt:Das hätte auch noch länger dauern können! Wohlgemerkt: es hätte. (Aber es darf nicht.)

*

Im März 1890 schrieb der alte Fontane:Blicke ich auf meine großen Tage zurück, so gewahre ich nur zahllose Kränkungen. Hätte er auf jene große Zukünftigkeit blicken können, die eines Tages sein Werk krönen würde: vom4. Stand entdeckt, gelesen und diskutiert zu wer­den: welche Freude, welche Selbstbestätigung hätte es dem allzu Bescheidenen, dem oft Resignierenden bedeutet, sich von ihnen, den Arbeitern, verstanden zu wissen,die nicht nur alles neu anpacken, sondern auch neue Ziele und neue Wege beschreiten.

Anmerkung

Erst kürzlich wurden Aufzeichnungen des alten Fontane bekannt, ln denen er sich mit Arthur SchopenhauersParerga und Paralipomena auseinandersetzt. Dieses Werk, eine 1851 erschienene umfangreiche Sammlung von Bemerkungen und Betrachtungen über die verschiedensten Gebiete, enthält auch ein KapitelÜber die Weiber. Darin bezeichnet Schopenhauer die Frauen alskindisch, läppisch und kurzsichtig und spricht ihnen nur schwache Vernunft zu. Vor allem aber sieht er sie mit zahlreichen charakterlichen und sittlichen Mängeln behaftet; Ungerechtigkeit, Falschheit, Treulosigkeit, Verrat seien untrennbar mit ihrer Natur verbunden. Im Grunde seiendie Weiber nur zu Fortpflanzung des menschlichen Geschlechtes nütze; im übrigen seien sie schonihrer Natur nach zum Gehorchen bestimmt. Auf Ehrfurcht oder Achtung hätten sie keinen Anspruch; in jeder Hinsicht ständen sie tief unter dem Manne. Schopenhauers Ausfälle gipfeln in der Ablehnung der Ehe überhaupt und in dem Vorschlag, die Vielweiberei ein­zuführen, weil sie allein den Bedürfnissen des Mannes entspreche und durch sie auch das Weib auf ihren richtigen und natürlichen Standpunkt als subordiniertes Wesen zurückgeführt werde.. . (Die Frau im Erzählwerk Fontanes als Ein­leitung zu dem im Verlag der Nation [2. Aufl. 1963] erschienenden BandesMär­kische Romanze, hrsg. u. eingel. v. Hans-Heinrich Reuter.)

506