Heft 
(1972) 15
Seite
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Also noch einmal, haben irgendwelche Zusicherungen, aber auch wirklich Sicherungen im Stillen stattgefunden, so betrachten wir alles als abgemacht und erledigt und haben nicht nötig irgend was noch in dieser Sache zu sagen oder zu tun. Aber, ich frage nochmals, haben solche stillen Zusicherungen stattgefunden. Ich glaube, nein. Und mit Rüdesicht darauf ist bis auf weiteres unsere Meinung die folgende:

Hat sich R. S. nicht erklärt, weder jetzt noch früher, hat er sich weder jetzt noch früher Marthas versichert, und zwar in nicht zu mißver­stehender Weise versichert, so find ich die ganze Sache, das Mindeste zu sagen, nachgerade höchst sonderbar; es liegt dann ein Maß von Indiffe­renz undSeelenruhe, von Nicht-Achtung oder wenigstens Nicht-Rück­sicht, oder andererseits, wenn durchweg auf die Korrektheit und Bieder­mannschaft hin angesehen und ausgespielt werden soll, ein Maß von Ehrpußlichkeit, Ledernheit und Philisterei vor, wovon ich mir es liege nun so oder so kein Heil versprechen kann. Mit solchem amphibiolen Abwartemann sich durchs Leben zu schleppen, der immer nur zu Bier geht, und seine Kinder um Gottes willen und weils doch mal hergebracht ist im halben Dussel zeugt, ist auch kein Vergnügen.

Wir sind also, wenn seitens R. S.s nichts geschehen sein sollte, was als stilles, aber bindendes Verlöbnis angesehen werden kann, der Meinung, daß Martha, sobald sie nach Berlin zurückkehrt (und wenn es nur auf 3 Tage wäre) der Familie sans gene die Pistole auf die Brust setzte und in vollkommen berechtigtem Tone fragen muß:Kinder, was denkt Ihr Euch denn eigentlich? oder aber wenn sie diese Frage zu tun nicht gewillt ist, einfach einen geordneten Rückzug anzutreten. Sie ist dies nicht bloß ihrem Glück, sonder auch ihrer Ehre schuldig. Länger zu warten, immer weiter und weiter, ohne Recht und Pflicht dazu, ist lächerlich, verächtlich.

Wir sind, wie Sie zweifellos aus diesen Zeilen herauslesen werden, einigermaßen gereizt. Aber ich glaube diese Gereiztheit ist unser gutes Recht. Liegt es so, wies wahrscheinlich nicht liegt, so werde ich meinerseits nicht anstehn, hinterher gern zu revozieren; liegt es aber, wie ich fürchte, daß es liegt, so kann ich nur aufs Bestimmteste wieder­holen, daß ich für solche Duscheschaft und Pappstoffelei gar keine parlamentarischen Ausdrücke habe. Ich halte (ganz im Gegensatz zu meinem Renomee) furchtbar viel von der Ehe und bin sehr fürs Heiraten. Es ist das Natürliche. Aber ich bin nicht so dafür, daß unter allen Umständen geheiratet werden muß. Bierfässer gehören in den Keller, aber nicht in die Brautstube.

Ihnen wird Martha längst reinen Wein eingeschenkt haben und wenn nicht, so wird sies, denk ich, in dieser Veranlassung tun. Bitte, lassen Sie, hochverehrteste Frau, uns wissen, wies steht, wie sich Martha (es liege nun wies wolle) auch ferner dazu stellen gedenkt. Denn schließlich bleibt als Paragraph 1 immer das bestehen:es ist ihre Sache. Liegt ihr daran, ihre Jugend aufs Düstre und Ungewisse hin zuverwarten, so mag sies tun. Ihr Glück und ihr Unglück ist aber i h rs. Uns liegt ob, ihr zu raten, sie aber mag sich entscheiden. [Ihr Theodor Fontane.]

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