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FONTANE
BLÄTTER
Band 2, Heft 8 (Heft 16 der Gesamtreihe) 1973
Joachim Schobeß (Potsdam)
Die Bibliothek Theodor Fontanes *
Jeder nachgelassene Bücherschatz ist ein Spiegelbild seines ehemaligen Besitzers, seiner Tätigkeit, seiner Ambitionen, seiner Beziehungen zu anderen. Wenn man näher hinsieht, unterscheidet man bald zwischen bevorzugten, notwendigen und zufällig erworbenen Büchern; Widmungen, Unterstreichungen, Randbemerkungen, eingelegte Zettel können zu aufschlußreichen Quellen werden.
Welch einen Reiz hat es, sich mit der Bücherei eines bedeutenden Schriftstellers zu beschäftigten! Wie aus nachgelassenen Schriften wird oft ein Stück vergangenes Leben wiedergeschenkt, werden bekannte Eigenschaften und Zusammenhänge schön bestätigt oder neu beleuchtet. Mitunter bereitet ein Gang durch eine solche Bibliothek manche Überraschung. So geht es einem mit der Bücherei Theodor Fontanes, des bedächtigen Skeptikers, der so lebenskräftige Gestalten wie Lene Nimbsch, die Witwe Pittelkow und den alten Dubslaw geschaffen hat.
Theodor Fontanes Schreibtisch in seiner Berliner Wohnung, Potsdamer Straße 134 c III, war von zwei Bücherschränken flankiert, einem großen und einem kleineren, der seine Handbücherei enthielt. Von ihm nicht bekannten Schriftstellern und von Verlegern dem Dichter zur Kenntnisnahme übersandte Neuerscheinungen wanderten in der Regel auf den Hängeboden, wo sie in einer riesigen Kiste neben Holz und Kohlen ein geruhsames Dasein führten, wenn nicht der eine oder andere Freund
•) Der Abdruck erfolgt mit Genehmigung der Pirckheimer-Gesellschaft in der DDR, in deren Zeitschrift „Marginalien“, Heft 14, Dezember 1963, der Aufsatz erstmalig erschien und seit langem vergriffen ist. Der Abdruck in überarbeiteter Fassung erscheint in den „Fontane-Blättern“ gerechtfertigt, weil in den vergangenen zehn Jahren wettere Titel aus der „Bibliothek Theodor Fontanes“ einwandfrei ermittelt werden konnten, die dem Verfasser 1963 unbekannt waren.
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