nicht kommt, weil Berlin nicht London ist. Das ändert sich erst im Juni 1878, und „schlagartig, nahezu von einem Tage zum andern, zieht Fontane die Konsequenzen.“ (51) Er verläßt den mit „Vor dem Sturm“ eingeschlagenen Weg [vollendet, bzw. entwirft jedoch im gleichen Sommer „Grete Minde“ und „Ellernklipp“], gibt den [vorher begonnenen] Roman „Allerlei Glück“, der keine „komprimierte Aussage und kritische ,Lehre*“ hätte haben sollen (53), schließlich auf [dies aber erst nach dem 3. April 1879, zu welchem Zeitpunkt der Roman Fontane noch „am meisten am Herzen liegt“], macht noch „einen letzten (scheinbaren) Umweg“ (53) mit „Schach von Wuthenow“ und kommt zum Ziel: „Das Ergebnis läßt sich in einem einzigen Satz zusammenfassen; er lautet: Berlin wird romanfähig für Fontane.“ „Die Datenfolge im Kalender von 1878 erscheint als unumkehrbare kausale Klimax, über Jahre hinaus wirkend mit der Kraft eines Naturgesetzes.“ (53) Nunmehr sei die „Aufhebung Hegels“ wie der gesamten klassischen Ästhetik erfolgt (55—58); wieder an die Arbeiten von 1886 anknüpfend, nennt Reuter die zwei weiteren Entdeckungen Fontanes, die „zusammen mit der des .Modells* Berlin [. •.] eine kopemikanische Wendung in der Geschichte der deutschen Erzählkunst“ markieren: Die erste ist die „Symbolik“, die „symbolhafte Verdichtung [...] des gesellschaftlichen Geschehens“ (59), und die zweite geht daraus hervor, daß die meisten Erzähl werke „Frauenromane“ (61) sind. („Zugleich öffnet sich die .kleine* Intimsphäre säkularen Bezügen.“ [62]) „Effi Briest“ bleibt der absolute Höhepunkt des Alterswerkes, „Der Stechlin“ hingegen werde zu „dessen Transzendierung: Beschluß und Aufbruch gleich Goethes zweitem
,Faust*.“ (62) — Die Sach- und Sprachschwächen der Darstellung lassen sich aus einer stark apologetischen Absicht erklären, welche einerseits zu gewaltsamen Konstruktionen, andererseits zu der Unlust führte, offene Fragen wahrzunehmen. Offen an Fontanes Realismus bleibt immer noch seine historische Stellung und Bedeutung, und beantworten läßt sich die Frage danach nur mit Blick auf die Traditionen,denen das einzelne Werk folgt oder von denen es sich abhebt. Anscheinend war Hans-Heinrich Reuter noch im Bannkreis seines großen Fontane-Buchs, als er das Referat schrieb; er wird sich freilich sagen müssen, daß auch die begründetste Autorität nicht sicher steht, wenn sie sich nicht immer wieder durch Forschungen neu beglaubigt. Gleichwohl konnte das Hauptreferat, indem es der Diskussion Anstöße gab, zum Ertrag der Konferenz beitragen. Für ihr Zustandekommen muß mm, nachdem die Ergebnisse einsehbar vorliegen, noch einmal den Veranstaltern gedankt werden, besonders aber dem Generaldirektor und den Mitarbeitern der Staatsbibliothek — der bekanntlich seit 1969 das Potsdamer Archiv zugehört — wie den Mitarbeitern des Aufbau-Verlages. Vornehmlich die Schirmherrschaft Prof. Dr. Horst Kunzes hat eine musterhafte Konzentration der Kräfte ermöglicht, die für die weitere Erschließung des Fontaneschen Erbes das Beste erwarten läßt.
— Dr. Günter Hartung, Halle — [Die Auffassungen unserer Rezensenten brauchen nicht in Jedem Fall der Meinung der Redaktion zu entsprechen.]