Heft 
(1973) 17
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getötet wurde. Ziemlich ausführlich äußerte sich Fontane auch in einem Ii

Brief an Hans Hertz vom 2. März 1895 über den Anstoß, den er durch die F

Geschichte der Ardennes empfangen hatte:Meine Gönnerin Lessing... d

erzählte mir auf meine Frage: ,Was macht denn der? (ein Offizier, der d

früher viel bei Lessings verkehrte und den ich nachher in Instetten trans- di

poniert habe), die ganze Effi-Briest-Geschichte, und als die Stelle kam, rr

2. Kapitel, wo die spielenden Mädchen durchs Weinlaub in den Saal K

hineinrufen: ,Effi komm 1 , stand mir fest: ,Das mußt du schreiben. 3 Auf d<

diese kleine Episode aus Frau Lessings Bericht kommt Fontane auch in S

dem schon erwähnten Brief an Spielhagen vom 21. Februar 1896 zu spre- s£

dien:Die ganze Geschichte ist eine Ehebruchsgeschichte wie hundert k

andre mehr und hätte, als mir Frau L. davon erzählte, weiter keinen n<

großen Eindruck auf mich gemacht, wenn nicht (vergl. das kurze 2. Ka- A

pitel) die Szene bez. die Worte ,Effi komm darin vorgekommen wären. P

Das Auftreten der Mädchen an den mit Wein überwachsenen Fenstern, b]

die Rotköpfe, der Zuruf und dann das Niederducken und Verschwinden

machten solchen Eindruck auf mich, daß aus dieser Szene die ganze lange P

Geschichte entstanden ist. 4 F

Der Duellskandal ging auch durch die Presse; es wurde natürlich viel ti

darüber gesprochen, und es ist kein Zufall, daß noch ein zweiter deut- h

scher Schriftsteller, Friedrich Spielhagen, sich demselben Stoff zugewandt rr

hat. Im Brief vom 25. August 1896 gesteht Fontane seinem Kollegen, daß ,J

er in dessen RomanZum Zeitvertreibdie frappante Lebenswahrheit J<

in der Schilderung unserer Berliner Gesellschaft überall stark und zu- d

stimmend empfunden habe. 5 Gewiß, es gelang Spielhagen gut, die Atmo- ih

Sphäre der Langeweile, dessüßen Lebens, einzufangen und einige überzeugende Gestalten zu schaffen, von denen Viktor, der Mann Klotil- g<

des, ein Karrierist und Konjunkturritter, eine der interssantesten ist. sc

Viktor Sorbitz ist ein Pedant, ein kleiner Beamter mit großen Präten- di

sionen. Als er von dem Betrug seiner Frau erfährt, erschreckt ihn die B

Familientragödie an sich kaum. Er fürchtet in erster Linie für seine Kar- zc

riere, denn eine Trennung würde seinem Ansehen schaden. Klotilde wird ai

von Anfang an alsdämonische Frau geschildert; es ist offenkundig, w

daß sie eineVergangenheit, eine unglückliche Jugendliebe, hinter sich v <

hat. Danach heiratet sie Viktor Hals über Kopfals den ersten Besten, sc

der einen in den Weg läuft; doch später bereut sie dies. Ihre Zuneigung l

zu Professor Winter erwacht, als ihr der einstige Gänsejunge die ein­drucksvolle,in halb elegischem, halb satirischem Ton vorgetragene Ge- D

schichte seiner Jugend erzählt. 6 Die Tonalität des Romans soll durch d<

seinen TitelZum Zeitvertreib angedeutet werden. Und in der Tat: st

Spielhagen überschritt die Grenzen einer trivialen Ehebruchsgeschichte in

nicht. In einigen wesentlichen Momenten widerspricht er sogar sich selbst. G

So wirkt z. B. die Motivierung von KlotildesFehltritt wenig über- v<

zeugend, da sie anfänglich ein Opfer der Verhältnisse zu sein scheint, das die Unaufrichtigkeit ihrer Ehe erkennt, dann aber aus bloßer Neu- de

gierde Gefallen an einem ihr ungewöhnlich und romantisch erscheinenden ft

Menschen findet. Der Professor gerät seinerseits, anstatt zu handeln, B

durch die Ereignisse aus dem Gleichgewicht und endet durch Selbstmord. ki

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