Im schon erwähnten Brief vom 25. August 1896 an Spielhagen vermerkt Fontane die Unzulänglichkeiten des Romans, z. B. daß die Schilderung der Berliner Gesellschaft größere Sympathie beim Leser hervorrufe als der arme Professor, der als ein „Schwachmatikus und dabei sehr eitel“ dargestellt wird. Der Gang der Ereignisse, die Entwicklung des Sujets, müßten eigentlich dazu führen, daß der Professor einiges zum Schutz Klotildes täte. Das geschieht aber nicht, und Fontane gibt seiner Verwunderung darüber Ausdruck: „Warum erwehrt er sich dieser Leute nicht? ... So wird das dramatische Interesse der Hergänge geschädigt.“ Doch darin sah Fontane nicht den Hauptfehler des Romans. Sein „zweites Bedenken“ richtete sich gegen das, was er „die politische Seite des Buches nennen möchte. Der Roman unterstützt, gewiß sehr ungewollt, die alte Anschauung, daß es drei Sorten Menschen gibt: Schwarze, Weiße — und Prinzen. Der Adel spielt hier die Prinzenrolle und zeigt sich uns nicht bloß in den diesem Prinzentum entsprechenden Prätensionen, sondern — und das ist das etwas Bedrückliche — beweist uns auch, daß diese Prätensionen im wesentlichen berechtigt sind.“ 7 Mit anderen Worten, Fontane macht Spielhagen den Vorwurf, er rechtfertige den Adel. Fontane selbst hatte in den neunziger Jahren bereits ein sehr negatives Verhältnis zum preußischen Adel, über den er sich zeitweilig Illusionen gemacht hatte. An Georg Friedlaender schrieb er am 14. Mai 1894: „ ... der ,Junker“, unser eigentlichster Adelstypus, ist ungenießbar geworden... Je mehr sie überflügelt werden, je mehr sie sich überzeugen müssen, daß die Welt andren Potenzen gehört, desto unerträglicher werden sie in ihren Forderungen; ihre Vaterlandsliebe ist eine schändliche Phrase, ... sie kennen nur sich und ihren Vorteil, und je eher mit ihnen aufgeräumt wird, desto besser.“ 8 Dieser Äußerung muß Bedeutung beigemessen werden, weil sie in die Zeit der Arbeit am Roman „Effi Briest“ fällt, dem ja das Geschehnis in der adligen Familie der Ardennes zugrunde lag. Bei Fontane wird — im Gegensatz zu Spielhagen — die Geschichte einer zerbrochenen Ehe zu einem Dichtwerk, das die verlogene Moral des Adels aufs strengste verurteilt. Fontane erreicht hier eine Verallgemeinerung wie nie zuvor. In seiner Darstellung des preußischen Adels ist nichts mehr von der Nachsicht und dem Wohlwollen, mit denen er diese Gesellschaftsschicht in früheren Romanen gezeichnet hat, zu spüren. Das von Frau Lessing Gehörte bekam einen ganz neuen Sinn.
Die Handlung des Romans, der in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts teils auf einem Gut im Havelland, teils in einem kleinen Provinzstädtchen an der Ostsee und schließlich in Berlin spielt, entwickelt sich im wesentlichen aus dem mangelnden Verstehen zwischen Effi und ihrem Gatten, den sie auf Wunsch der Eltern geheiratet hat. Der Landrat Geert von Instetten ist trocken, pedantisch und pünktlich; Effi empfindet für ihn Achtung, fast eine Art ehrerbietiger Furcht, aber nicht Liebe. Als sie den Major Crampas kennenlemt, der sie mit seiner Anbetung betört, führen die zunächst zufälligen Begegnungen zu einer vorübergehenden Liebesbeziehung, die vor dem abwesenden Gatten verborgen werden kann. Sieben Jahre später jedoch fallen die einst an Effi gerichteten
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