Briefe des Majors Instetten, in die Hände. Im Duell tötet Instetten den Major; er gibt Elfi dem Untergang preis und zerstört damit auch sein eigenes Leben.
Der Prototyp der Gestalt der Effi, Elisabeth von Plotho, war fünf Jahre jünger als ihr Mann. Fontane vergrößert den Altersunterschied zwischen den Eheleuten um ein Beträchtliches: Geert von Instetten ist mehr als doppelt so alt als die kaum siebzehnjährige Effi. Im Grunde genommen sprechen sie vom ersten Tag ihres gemeinsamen Lebens an verschiedene Sprachen. Instetten ist seiner jungen Frau weit mehr ein strenger Erzieher als ein Freund. Solche Messalliancen in Bezug auf das Alter waren damals eine alltägliche Erscheinung; der Realist Fontane hat sie aufgegriffen und künstlerisch umgesetzt. Nach der Hochzeit übersiedeln die Eheleute nach Kessin an der Ostsee und machen — wie es sich gehört — bei den Beamten der Stadt und bei den Adelsfamilien Visiten. Mit wenigen gelungenen Strichen zeichnet Fontane jene Gesellschaftsschicht, mit der er einst sympathisierte. „Zuerst war man bei den Borckes in Rothenmoor, dann ging es nach Morgnitz, Dabergotz und Kroschentin, wo man bei den Ahlemanns, den Jatzkows und den Grasenabbs den pflichtschuldigen Besuch abstattete. Noch ein paar andere folgten, unter denen auch der alte Baron von Güldenklee auf Papenhagen war. Der Eindruck, den Effi empfing, war überall derselbe: mittelmäßige Menschen, von meist zweifelhafter Liebenswürdigkeit, die, während sie Vorgaben, über Bismarck und die Kronprinzessin zu sprechen, eigentlich nur Effis Toilette musterten .. .“ 9
Fontane beschreibt weder die Ahlemanns noch die Jatzkows; auch die Visiten der Instettens werden nicht im Detail gegeben. Aber das, was — nach dem Willen des Autors — sogar die naive Effi, die fast nichts vom Leben gesehen hat, begreift, macht einen stärkeren Eindruck auf den Leser als ausgedehnte Beschreibungen. Dieses: „mittelmäßige Menschen, von meist zweifelhafter Liebenswürdigkeit“ ist Fontanes Einschätzung der Adelsgesellschaft; der Adel wiederum fällt sein Urteil über Elfi mit den Worten: „In Rothenmoor bei den Borckes und dann auch bei den Familien in Morgnitz und Dabergotz war sie für .rationalistisch angekränkelt“, bei den Grasenabbs in Kroschentin aber rundweg für eine .Atheistin“ erklärt worden .“ 10 Sidonie von Grasenabb, „eine dreiund- vierzigjährige alte Jungfer“, erklärt auf den schwachen Versuch der Mutter, „Effi wenigstens für den Deismus zu retten“, kategorisch: „Ich sage dir, Mutter, einfach Atheistin, kein Zollbreit weniger, und dabei bleibt es .“ 11 Natürlich fühlt Effi sich fremd unter diesen Leuten; das Haus, in dem sie die Hausfrauenstelle einnimmt, wird ihr nicht zur Heimat. Ein Hund ist das einzige Wesen, das ihr wirklich nahesteht. An Abenden, an denen Instetten in seinem Kabinett arbeitet, flüstert Elfi, als fürchte sie, der Mann könne es hören, dem Hund zu: „Ja, Rollo, wir sind allein.“ Effi hat Heimweh; am liebsten möchte sie ins Elternhaus zurückkehren, im Garten umhertollen und mit den Freundinnen plaudern. Schon auf der Hochzeitreise hätte sie gern auf den Anblick all der berühmten Galerien und Schlösser Veronas, Paduas und Vicenzas verzichtet, um wieder in dem
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