geliebten heimatlichen Gut in Hohen-Cremmen mit seinem kleinen Park und seinen Brücken unbeschwert glücklich zu sein. Gewiß, Instetten ist korrekt und wohlerzogen; er zeigt sich nicht entsetzt, daß Effi den „Faust“ nicht kennt und erklärt ihr geduldig den Unterschied zwischen Liktoren und Konsuln. Doch geht von seiner Höflichkeit und Korrektheit eine Kälte aus, die Effi veranlaßt, sich allmählich in sich zurückzuziehen. Im Grunde genommen bleibt sie die naive und verträumte Halbwüchsige, die sie vor der Ehe war.
Effi ist die vollendetste von Fontanes Frauengestalten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schuf kein zweiter deutscher Schriftsteller solche lebensnahen Gestalten wie Lene Nimptsch, Pauline Pittelkow, Jenny Treibei und Melanie van der Straaten. Elfi Briest aber kann man getrost den besten Frauengestalten der zeitgenössischen russischen, englischen und französischen Literatur an die Seite stellen. Effis außerordentliche Uberzeugungs- und Anziehungskraft ist zu einem beträchtlichen Teil auf das Mitgefühl des Autors für seine Heldin zurückzuführen.
Geert von Instetten entspricht nicht dem Prototyp. Der pedantisch-korrekte Landrat entbehrt aller Talente, über die Armand von Ardenne in so reichem Maße verfügte. Kunst ist für ihn nicht zum Genießen da; die Freude am Schönen bleibt ihm verschlossen. Die vielen Galeriebesuche auf der Hochzeitsreise werden als etwas Unumgängliches unternommen, das nun einmal zum guten Ton gehört. In Kessin, wo ein streng geregeltes Leben geführt wird, vertiefte er sich in Gespräche über Bismarck und „ging dann die Ernennungen und Ordensverleihungen durch, von denen er die meisten beanstandete. Zuletzt sprach er von den Wahlen und daß es ein Glück sei, einem Kreise vorzustehen, in dem es noch Respekt gäbe.“' 2 Seine Verpflichtungen als Landrat betrachtete er ausschließlich als eine Angelegenheit der Karriere. Doch wünscht sich Instetten diese Karriere — und das verleiht seiner Gestalt Glaubwürdigkeit — nicht nur um seiner selbst willen; er denkt auch an Effi; er träumt davon, sie als große Dame, als eine der bezauberndsten Frauen der Berliner Gesellschaft, zu sehen. Auf seine Weise liebt er Elfi, und je mehr die Gattinnen seiner Vorgesetzten aus dem Ministerium Sympathie für sie empfinden, um so stärker wird seine Liebe zu ihr. „Ehre, Ehre, Ehre“, — heißt es ständig bei ihm. Das Fragwürdige des adligen Ehrbegriffs, das schon in früheren Werken Fontanes, vor allem in „Schach von Wuthenow“ (1803) auftauchte, wird auch in „Effi Briest“ aufgeworfen. Als Instetten von Effis Betrug erfährt, überlegt er im Gespräch mit Wüllersdorf, ob er ihr nicht vielleicht verzeihen dürfe. Er gesteht, daß er die Kraft dazu aufbringen könnte. Die Angst vor der Meinung der Gesellschaft aber, die sklavische Befolgung eines ungeschriebenen Ehrenkodexes des Adels, führt zum Duell mit Crampas und im Endergebnis zu Effis Untergang. Instetten sagt selbst, daß der Ehrenkult, dem er huldigt, ein Götzendienst ist. Die Entlarvung dieses Götzendienstes ist eine der Hauptaufgaben des Romans. Ungeachtet des für Instetten glücklichen Ausgangs des Duells und seiner weiterhin erfolgreichen Karriere zerbricht er dennoch; seine Siege verwandeln sich in Niederlagen. Es ist symptomatisch, daß Zeit-