genossen Fontanes Instetten als eine negative Figur aufgefaßt haben. Demselben Ehrenkodex zuliebe finden Elfis Eltern nicht den Mut, ihre Tochter bei sich aufzunehmen, als deren Verfehlung an die Öffentlichkeit gedrungen ist; sie wollen nicht ihr „Haus von aller Welt abschließen.“ 13 Die Meinung und das Gerede der benachbarten Gutsbesitzer sind ihnen wichtiger als ihr einziges Kind. So unbedingt beugen sie sich den Begriffen ihrer „Adelsehre“, daß sie nicht einmal darüber debattieren, ob man nicht gegen den Strom schwimmen und, die Ansichten der Gesellschaft beiseiteschiebend, zeigen könnte, daß ihre Tochter ein besseres Los verdient hat als das einer Ausgestoßenen.
Als alle sich von Effi abwenden, die Eltern, der Mann und die Gesellschaft, findet einzig und allein ihre Dienerin Roswitha, eine einfache Fnau, den Mut, von Instetten fortzugehen und Effi bis zum Tode treu zu bleiben. Viele Fontaneforscher, besonders I. Fradkin und C. Wandrey, stellten in Fontanes Romanen „eine Überlegenheit der Gestalten aus dem Volk über die Vertreter der herrschenden Klassen“ 14 fest; ihre größere Menschlichkeit ist unverkennbar. Roswitha ist Effi gegenüber taktvoller und feinfühliger als all die wohlerzogenen Mitglieder der höheren Gesellschaftsschichten. Sie bringt in das Leben ihrer Herrin wieder eine gewisse Ordnung und umsorgt sie. Als sie sieht, wie Effi unter der Einsamkeit leidet, schreibt sie einen von Warmherzigkeit diktierten Brief an Instetten mit der Bitte, dieser den alten Hund Rollo wiederzugeben, damit er die junge Frau auf den Spaziergängen begleiten könne und ihre Furcht und das Gefühl der Verlassenheit verscheuchen helfe. Als Wüllers- dorf diesen Brief gelesen hat, meint er voller Überzeugung: „Die ist uns über“, und Instetten antwortet: „Finde ich auch.“ 15 Zwei Vertreter der großen Welt gestehen hier die Unhaltbarkeit ihrer Moral und anerkennen die sittliche Überlegenheit einer einfachen Frau. Mit Roswitha gab Fontane seinen Gestalten aus dem Volk einen würdigen Abschluß.
Fontane zeichnet in seinem Roman ein breites Bild der historischen Epoche, das sowohl die Provinz als auch die Hauptstadt, die Vertreter der großen Welt und die Insassen deutscher Krähwinkel, in sich einschließt. Die Orte der Handlung sind tatsächlich existierende Straßen, Plätze und Vororte Berlin. Mehr noch, unweit des der Phantasie entsprungenen Kessin liegt das Gut Bismarcks, zu dem sich Instetten des öfteren begibt; der „eiserne Kanzler“ und sogar der Kaiser protegieren den hoffnungsvollen Landrat und späteren erfolgreichen Beamten im Ministerium. Das alles läßt die im Roman geschilderte Epoche noch klarer hervortreten; auch in dieser Hinsicht ist er Spielhagens „Zum Zeitvertreib“ überlegen.
Fontane änderte neben vielem anderen auch den Schluß der wirklichen Geschichte: Elisabeth von Ardenne widmete sich nach der Trennung von ihrem Mann der Krankenpflege und starb 1952. Die von der Gesellschaft ausgestoßene Heldin des Romans kann das über sie hereingebrochene Unglück nicht verwinden und stirbt. Effis tragisches Ende ist gesetzmäßig; es ist die logische Konsequenz sowohl ihres Charakters als auch der Ereignisse. Ihr Tod wird zur Anklage gegen eine Gesellschaft,