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Berlin, 28. Novb. 82. Potsd. Str. 134. c.
Hochgeehrter Herr.
Ergebensten Dank für Ihre freundl. Zeilen vom gestrigen Tage. Hoffentlich glückt es mit Gsellius. So weit meine Kenntnis in diesen Dingen reicht, macht er alljährlich das Weihnachts-Hauptgeschäft, neben dem — soweit der direkte Berliner Verkauf in Betracht kommt — alle andern Sortimenter verschwinden. Alle Berliner, auch die Reichen und Vornehmen, sind aus der alten, armen Zeit her, „kleine Leute“, die mit lächerlicher Geflissentlichkeit einem kleinen Vortheil von 2V* oder 5 Sgr. nachgehen. Es kann auch noch weniger sein. Und so drängt denn wie ,in Hungersnoth um Brod an Bäckerthüren ( in der Weihnachtszeit alles zu Gsellius, von dem es heisst, dass er alles um eine Mark oder halbe Mark billiger verkaufe als andre Leute. Von Mittag an ist sein Verkaufslokal gestopft voll, und man muss eine Viertelstunde warten. D. h. ich nicht, ich zahle lieber fünf Sgr. mehr und hab es gleich.
Die Neigung solche „Bilder aus Berlin“ oder einen „illustrierten Führer durch Berlin“ etc. etc. zu publiciren, liegt seit einigen Jahren in der Luft. Vor etwa 5 Jahren machte mir Herr Schloemp, ich glaube in Leipzig, ein derartiges Anerbieten und seitdem drei, vier andre. Darunter auch eine grosse süddeutsche Firma, ich glaube Bruckmann, doch bin ich meiner Sache nicht ganz sicher, weil ich mit Br. über mehrere Gegenstände von sehr verwandter Art: Mark, Hohenzollem etc. correspondiert habe. Nur soviel ist gewiss, es ist Mode-Thema, das jeden, der derartiges vorhat, bei mir anfragen lässt: „That’s the man“, denkt jeder. Aber ich werde dergleichen nie schreiben, oder sag ich lieber mit mehr Vorsicht und Bescheidenheit: höchst Unwahrscheinlicherweisel Es ist mir einfach zu langweilig, und da ich mich bei meiner Produktion immer nur durch meinen Geschmack und meine Lust habe bestimmen lassen, so werd ich mich nicht leicht in Schloss, Thiergarten oder Museum literarisch verirren. Eine alte, von Niemandem gekannte Dorfkirche zu beschreiben, macht mir noch jetzt einen kleinen Spass, 1000 mal Beschriebenes oder zum lOOlten Mal dem Publikum vorführen, widersteht mir.
Gestatten Sie mir noch etwas hinzuzusetzen. Ich weiss ganz bestimmt, dass dergleichen viele Male versucht worden ist, und nie ist es zu Stande gekommen. Das muss einen Grund haben, da es gewiss an glänzenden Anerbietungen nicht gefehlt hat, wenigstens wurde mir eine gemacht, die (Namen und Details hab ich vergessen) sehr glänzend war. Ja, es h a t einen Grund, und dieser Grund ist der, dass die wenigen, die’s können, nicht Lust haben, an eine mühsame und literarisch wenig erbauliche Sache ihre Zeit und Kraft zu setzen, und dass andrerseits die vielen, die’s für viel Geld wohl machen möchten, weder den dazu nötigen Namen noch am allerwenigsten das dazu nötige Talent besitzen. Ich bin hiervon s o stark durchdrungen, dass ich mir das zudringliche Wort erlauben möchte: „geben Sie’s auf!“ Lindau würd’ es können, ebenso Rodenberg (Deutsche Rundschau) und W. Lübke in Stuttgart, - aber ich glaube nicht, dass sich wer von diesen Dreien dazu versteht. Lindau würd’ ein Vermögen fordern, ebenso Hopfen, und beide würden sehr lange mit dem M. S. warten lassen. Rodenberg und Lübke wären beide zuverlässig, würden aber dergleichen, wenn sie’s schrieben, immer zu Nutz und Frommen der mit ihnen Hirten Firmen schreiben. Also Paetel und Ebner und Seubert.
In vorzüglicher Ergebenheit Th. Fontane
[Fontane-Archiv: Da 458. Briefe an die Freunde 2, S. 80/82.]
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