Von Fontane erfahren wir nicht, bei welcher Gelegenheit er von solchem Gerücht erfahren hat — falls ein solches überhaupt vorhanden war! Oder sollte ihm hier seine „Phantasie, die er nicht gern durch Wissenskram zügeln ließ“ — wir werden von diesem Wort noch hören — einen schlimmen Streich gespielt haben?
Wir blicken zurück: Wanderfreunde und Fontaneverehrer, die beim Lesen seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ historische Quellen als festes Fundament unter den Füßen haben wollen, werden ob der hier angeführten Irrtümer Fontanes die Stirn in krause Falten ziehen. So erging es dem Verfasser dieser Zeilen, der sidi als Stadtarchivar von geschriebenen und gedruckten Geschichtsquellen umgeben sieht. Aber dann glättet sich die Stirn, zunächst durch die Erinnerung an weit zurückliegende Jahre, als der Verfasser während der Herbstferien bei vielen Wanderungen durch die Mark in mehreren märkischen Landschaften den Spuren Fontanes folgte. Nicht lesenderweise, auch nicht wie der „Yankee“ Seyppel zumeist im Auto, 1 '' 1 sondern — um es deutsch zu sagen — „per Beene“. So erlebte ich damals Fontane! — Und jetzt steht vor mir ein Wort aus der Einleitung zu Fontanes „Osterfahrt in das Land Beeskow-Storkow“:
„Oh, das muß ein himmlischer Tag werden, und ich gab mich dieser Vorstellung um so voller und sicherer hin, als ich, ein paar Notizen abgerechnet, keinen ,Wissenskram‘ in mir beherbergte, der meine Phantasie hätte zügeln können!“
Zwar spricht Fontane hier von seinen Erwartungen beim Besuch des einst großen Geschlechts von Löschebrand in Pieskow-Saarow am Scharmützelsee, doch gilt dies Wort auch für seinen Besuch in Beeskow und den anschließenden Besuch in Kossenblatt.
Fontane war kein zünftiger Historiker und wollte es auch nicht sein. Willibald Alexis ist es in seinen märkischen Romanen mehr. Fontane machte jedoch — um ein Wort eines Kulturphilosophen seiner Zeit zu gebrauchen — die Heimat nicht zum Nabel der Welt, auch umgab er sich nicht mit Moderduft! Fontanes Blick ist der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung seiner Zeit nicht abgewandt. In einigen Romanen, vor allem in vielen seiner Briefe, 15 spürt man, wie Fontane die Entwicklung der wilhelminischen Ära durchschaut und in die Zukunft deutet! Fontane war in seinen „Wanderungen“ eben Wanderer und vor allem ein Plauderer. Ein Plauderer aber, der seine Zuhörer fesselt, wie selten einer! Der das, was er auf seinen Wanderungen gesehen, gehört und erlebt hat, mitteilt, ohne durch „Wissenskram“ belastet zu sein, der „seine Phantasie hätte zügeln können“. So hat er uns unsere Mark sehen und — dies vor allem — lieben gelehrt!
Nachtrag der Redaktion: Wir danken dem Heimat- und Fontanefreund Kurt Müller aus Beeskow sehr herzlich für diesen Beitrag, der bei Abgabe des Manuskriptes im Juli 1972 mit vierundachtzig Jahren noch seiner liebgewonnenen beruflichen Tätigkeit als Stadtarchivar nachging.
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